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Lilly - Kapitel 27
Teddy kippte erneut um. Irgendwie wollte er nicht so richtig Haltung bewahren. Wie sollte er auch, er war ja bloß ein Plüschtier. Lilly setzte ihn wieder auf und kümmerte sich sogleich um ihre Puppe, die auch gerne mal zur Seite wegkippte. Die Puppe war keine Barbie, wie die Puppen, die Lilly später einmal besitzen sollte, sondern eine Puppe in der Gestalt eines Mädchens ihres Alters. Sie war knapp zwanzig Zentimeter groß und hatte fast schneeweiße glatte, lange Haare. Sie trug ein rosa Röckchen und hatte dazu schwarze Schuhe wie Sandalen an. Ihre Augen waren blau und der Mund rot eingefärbt. Somit entsprach die Puppe wie viele andere auch einem gängigen Schönheitsideal, wo die Barbie-Puppen es teilweise stark übertrieben mit den perfekt geformten Brüsten und der Wespentaille.
Teddy und die namenlose Puppe gehörten mit Lilly zusammen zu einer Familie. Die Puppe war das Kind, das immer mal wieder eine Strafe absitzen musste und Teddy war der Papa, der sich kaum an Haushaltsarbeiten beteiligen mochte, während Lilly die Mutterrolle übernahm und alles organisieren musste. Sie als einzige lebende Spielerin war sowieso dazu gezwungen dafür zu sorgen, dass neue Spielmaterialien dazukamen oder die behelfsmäßige Bude nicht immer zusammenfiel. Also sorgte sie sich auch um ihre Puppenfamilie indem das Kind brav aufessen musste und Papa Teddy sollte abwaschen helfen. Es schien so, als verarbeitete Lilly Geschehnisse, die sie im Alltag oft miterlebte. Mit ihren drei Jahren war Lilly in einer Phase ihres Lebens, in der sie gerne mal eine Rebellion gegen ihre Eltern aus heiterem Himmel heraufbeschwor. Zum Mittagessen gab es dann immer das Theater, dass Lilly gewisse Teile der Mahlzeit verschmähte. „Komm, iss doch, sonst scheint morgen nicht die Sonne!“ waren oft ausgesprochene Beschwichtigungsversuche ihrer Eltern, dabei wusste sie ganz genau, dass sich das Wetter unabhängig vom Essen entwickelte. Den Eltern rutschte das mehr oder weniger unbewusst raus.
Lillys Papa Mark arbeitete auch immer sehr lange, teilweise kam er erst nach Hause, als das Abendessen schon vorbei war und er Lilly gerade noch gute Nacht sagen konnte. Lilly fand das schrecklich, denn sie hatte so meist nur am Wochenende etwas von ihrem Vater, den sie unter der Woche auch gerne mit in ihre Spiele eingebunden hätte. Vor allem an einem frühen Nachmittag wie heute: es regnete in Strömen und Lilly war mit ihrer Mutter alleine zu Hause. Tanja war in der Küche damit beschäftigt, einen Kuchen zu backen um sich die Zeit zu vertreiben. Lilly hatte keine Lust ihr zur Hand zu gehen, viel lieber hätte sie es gehabt, wenn Papa auch zu Hause geblieben wäre.
Musste er denn wirklich zur Arbeit gehen? dachte die Dreijährige. Kann man denn nicht einfach wegbleiben, wenn es draußen so eklig ist?
Lilly verstand die Erwachsenenwelt nur schwerlich. Oft machten die Großen Dinge, die sie nicht leiden konnten und dann auch noch unter schwersten Bedingungen. Wie zum Beispiel zur Arbeit zu gehen, auf die man sich wegen dem Stress kaum freute und das auch noch bei diesem heftigen Wolkenbruch. Wenn Lilly etwas tun sollte, was sie nicht wollte, dann reichte oft nur ein kleiner Aufstand in Form von Schreien, Auf-den-Boden-werfen oder stur dastehen und gar nichts sagen. Mama und Papa waren dann zwar sauer auf sie und ließen sie alleine stehen, aber sie hatte somit ihre Ruhe. Seit Neuem allerdings kam Lilly mit solchen Maßnahmen nicht mehr so richtig an. Wenn sie keine Lust hatte ihr Zimmer aufzuräumen, sondern viel lieber rausgehen wollte um Blumen zu pflücken, dann ließen sie sie nicht eher heraus, bis sie ihr Zimmer aufgeräumt hatte. Sie wurden nicht mal mehr laut, wo sie doch vorher ab einem gewissen Punkt lauter wurden, so dass Lilly zusammenzuckte. Doch nun sagte man dem Mädchen nur noch: „Du brauchst dein Zimmer nicht aufräumen, wenn du nicht willst. Aber die Regel ist, wenn du raus willst, musst du vorher aufräumen!“
Mit dieser Erklärung ließen sie das Kind auch mal einen halben Tag in ihrem Zimmer hocken und nicht vor die Tür, bevor sie nicht der Aufforderung nachkam. Heulen, schreien, Gegenstände die Treppe hinunter werfen oder die eigenen Eltern beschimpfen, was immer ein Sakrileg war, denn das brachte jeden Vater und jede Mutter zum ausrasten, erzielten plötzlich keine Wirkung mehr. Lilly war komplett verwirrt. Wieso reagierten ihre Eltern seit Neuem so und nicht wie früher? Jedenfalls konnte Lilly tun was sie wollte, wenn sie keine Lust hatte den ganzen Tag in ihrem Zimmer eingesperrt zu sein, musste sie in den sauren Apfel beißen und eine halbe Stunde lang aufräumen. Eigentlich war es auch nicht so schlimm, dachte sie dann, wenn sie draußen spielen gehen konnte und wenn Papa mit ihr im kleinen Garten umherstreunte. Darin erkannte sie wieder eine gewisse Logik und der Ärger wegen dem unaufgeräumten Zimmer verflüchtigte sich rapide.
Heute aber war einer dieser gemütlichen Donnerstagnachmittage, an denen aufräumen weit unten auf der Prioritätenliste stand. Lilly saß in ihrem Schlafanzug, den sie seit heute Morgen nicht ausgezogen hatte, auf dem Boden neben ihrem Bettchen und hatte sich eine Bude aufgebaut. Eine Decke aus dem Wandschrank auf dem Flur in der ersten Etage, gleich neben dem Badezimmer, benutzte sie als Dach. Damit es nicht immer wieder einstürzte, klemmte sie ein Ende der Decke unter die Matratze ihres Bettes. Ihr Papa hatte ihr das vor einer Woche mal gezeigt, weil ihr die Decke immer wieder auf den Kopf fiel.
Das war ja auch nicht das heutige Problem mit ihrer Bude. An diesem Teil des Daches blieb alles stabil. Gegenüber dem Bett standen zwei Kinderstühle, die zu zwei Dachstützen umfunktioniert wurden. Die Decke knotete Lilly an den Lehnen fest, doch der flauschige Stoff löste sich manchmal und dann stürzte ihr das Dach ein. Lillys Familienspiel wurde dann jäh unterbrochen, weil Mama Lilly mal wieder das Dach reparieren musste. Während sie das tat, schimpfte sie mit Papa Teddy, der auch mal etwas im Haus tun könnte. Und Dach reparieren war wohl sehr offensichtlich eine Aufgabe für den Mann des Hauses. Leider raffte sich Teddy nicht auf, sodass Lilly sich der Arbeit annahm und die gespielt heulende Puppe tröstete.
„Nicht weinen, ich bin gleich wieder bei dir“, tröstete Lilly die Puppe. Diese heulte aber ununterbrochen und auch die tröstenden Worte Lillys vermochten sie nicht zu beruhigen. Dabei weinte Lilly immer in Vertretung für ihre Puppe. Ihr Rollenspiel, das sie erst seit weniger als einem Monat immer öfter praktizierte, zeichnete sich oft dadurch aus, dass sie immer eine Führungsposition übernahm oder in die Rolle der Leiterin schlüpfte, während ihre Stofftiere und Puppen untergeordnete Rollen übernahmen. Wenn ein Dialog zwischen ihr und den imaginären Spielkameraden stattfand, dann sprach Lilly diesen in Vertretung für die sprachunbegabten Puppen und Kuscheltiere und verstellte dabei manchmal ihre Stimme. Diese Art von Spiel konnte sie alleine stundenlang machen und schienen ihr nie langweilig zu werden. Meistens drehte es sich um Themen wie Familie, oder beim Arzt oder Lilly als große Tierfreundin, die einen kranken Hund gesund pflegte. Vielmehr machte es allerdings Spaß, wenn ihre Eltern mit ihr spielten. Papa war da natürlich ihr Favorit, denn er stieg voll in die Situation ein und ließ sich von Lilly eine Rolle zuweisen. Diese füllte er dann wie ein Schauspieler mit viel Engagement aus. Mama spielte auch mit ihr, aber sie war dann immer parallel mit anderen Dingen beschäftigt und konnte dann nur mal kurz, wie sie immer gerne betonte. Manchmal trug sie dann ein Küchentuch auf der Schulter, weil sie gerade abwusch und nur mit Lilly ein paar Minuten spielte, weil der Topf eingeweicht wurde. Wenn Papa mit ihr spielte, war es so, wie mit einem anderen Kind zu spielen. Mama rief dann irgendwann ihre beiden Mädels zum essen runter und Lilly lachte lauthals. Sie mochte es, wenn Mama Papa ein Mädel nannte, weil Papa irgendwie Lillys beste Freundin war.
Lilly befestigte die Decke wieder am Stuhl und fand zurück in die Bude. Sie nahm ihre Puppe in den Arm und wiegte sie wie ein Baby hin und her.
„Ich bin ja bei dir“, flüsterte sie der Puppe ins Ohr. Die schien sich langsam wieder zu beruhigen denn Lilly machte immer leisere Wimmergeräusche. Lilly setzte die Puppe wieder aufrecht an die Wand gelehnt und setzte Papa Teddy wieder richtig hin. Der musste wohl umgekippt sein, als das Dach runterkam.
Lilly tippte sich auf die Lippen. Die Dreijährige dachte über die Weiterführung ihres Rollenspiels nach. Da kam ihr die rettende Idee: Abendessen! Das Mädchen kroch rücklings aus der Bude heraus um Puppengeschirr zu holen, da riss sie aus Versehen die Decke wieder herunter. Der Knoten löste sich erneut. Lilly stöhnte angestrengt auf und betrachtete den Schaden von allen Seiten. Sie knotete die Decke an der Stuhllehne fest und sah noch einen Moment auf ihr Gebäude. Es fehlten Stützen an den Seiten. Die linke Seite ihrer Bude befand sich an der Wand, da konnte man kaum noch eine Stütze einbauen. Aber rechts würde noch Platz sein. Lilly sah sich in ihrem Zimmer um. Der Tisch, zu dem die Stühle gehörten, war zu niedrig, dann müsste sie sich in ihre Bude reinlegen um nicht immer an die Decke zu stoßen. Die anderen großen Möbel waren ein Kleiderschrank und ein Regal, in dem Lillys ganze Spielsachen aufbewahrt waren. Die kamen für einen Umbau nicht in Frage, weil Lilly die nicht verrücken konnte. Aber dann entdeckte sie eine Möglichkeit: die Heizung!
Wenn sie einen Teil der Decke irgendwie in die Heizung klemmen konnte und einen anderen wieder unter die Matratze des Bettes und eine dritte Ecke wieder an einen der Stühle festknoten würde, dann hätte sie eine stabilere Bude. Dafür musste sie bloß mit ihrer Bude um drei Meter umziehen. Sofort begann Lilly mit dem Umzug; blieb dabei immer im Dialog mit ihren beiden Mitspielern. Noch während der Umbaumaßnahmen bemerkte Lilly, dass die eine Decke wohl nicht reichte. Die Heizung war fast einen Meter vom Bett entfernt und sie brauchte auch noch Stoff um die Decke festzuknoten oder einzuklemmen. Also bräuchte sie eine weitere Decke. Bevor Lilly allerdings losschlurfte um eine neue Decke zu beschaffen, stellte sie alles so hin, wie es letztendlich stehen sollte. Die Stühle wurden schon mal korrekt ausgerichtet und die vorhandene Decke wurde in die Matratze eingeklemmt. Teddy und Puppe mussten schon mal Probe sitzen im neuen Domizil und Lilly verabschiedete sich noch von ihnen.
„Du musst auf unser Kind aufpassen. Ich muss mal was fürs Haus kaufen“, schärfte sie ihrem Teddy ein und piekste ihn dabei mit ihrem Zeigefinger. Auf diese Weise wollte sie ihn wohl darauf hinweisen, es diesmal richtig zu machen, denn er musste sich immer eine Predigt anhören, wenn Lilly zurückkam und die Puppe wieder auf der Seite lag.
Lilly marschierte hinaus in den Flur und lauschte die Treppe hinunter. Von dort drang leise Radiomusik und Küchengeklapper zu ihr hoch. Mama war scheinbar immer noch am Backen. Leise, als würde Lilly etwas Verbotenes tun, schlich sie zum Wandschrank. In der Tat war es etwas, das Tanja ihr untersagt hatte, denn als sie das erste Mal etwas aus dem Schrank haben wollte, musste Tanja ihr helfen. Sie war noch viel zu klein, um an die oberen Regalböden zu kommen.
„Beim nächsten Mal sagst du mir besser Bescheid, wenn du was willst, sonst schließ ich den Schrank ab“, hatte Tanja ihr von oben herab gesagt. Also entschloss sich Lilly, auf eigene Faust zu handeln. Sie öffnete die Schranktür und sah nach oben. Ein Zipfel einer Decke lugte ihr entgegen, aber sie war zu weit oben. Mama konnte sie nicht fragen, die würde ihr nix erlauben. Verzweifelt blickte sie um sich. Es gab nirgends eine Alternative zu einer Decke. Im Schlafzimmer von Mama und Papa waren nur die üblichen Bettdecken. Die waren zwar groß genug, aber leider zu schwer. Dann würde die Bude im Handumdrehen wieder einstürzen. Lillys Blick verharrte bei einem der Kinderstühle in ihrem Zimmer, den sie vom Wandschrank aus sehen konnte. Mit einem solchen Stuhl sollte sie doch in der Lage sein, sich die Decke herunterzuziehen. Die Dreijährige schlich zurück ins Zimmer und nahm sich einen Stuhl. Sie schaffte es nicht ihn anzuheben auf die Dauer, deswegen zog sie ihn hinter sich her. Der Weg zurück zum Wandschrank war nicht sehr weit, doch durch das vorsichtige Hinterherziehen des Stuhls um kein Geräusch zu verursachen, schien es ein beinahe endloser Weg zu sein. Glücklicherweise lag im Korridor ein ziemlich dicker Teppich auf dem der Stuhl nicht so laut kratzte. In ihrem Zimmer lag ein dünner Veloursteppich, da hörte man deutlich jedes Scharren mit den Fingernägeln in Raum direkt unterm Kinderzimmer. Alle paar Mäuseschrittchen hielt das Mädchen inne und lauschte in das Erdgeschoss, doch ihre Mutter bekam nichts von Lillys Vorhaben mit.
Mit ihren nackten kleinen Füßen stellte sie sich mitten auf die Sitzfläche des Stuhls und sah vorsichtig nach oben. Lilly war generell ein etwas ängstliches Kind, das der Höhe viel Respekt zusprach. Leicht zittrig stellte sie sich aufrecht hin und sah sich unsicher um. Mit großen, wachsamen Augen stellte sie zufrieden fest, dass sie sicher stand. Trotz dessen blickte sie in die bedrohliche Tiefe unter sich hinab, die für ein so kleines Kind als bedrohlich empfunden werden konnte.
Dann endlich richtete sie ihren Blick nach oben zur Decke. Der Zipfel sah ihr noch immer entgegen und sie streckte sie nach ihm aus. Lilly erreichte ihn aber nicht. Mit der rechten Hand stützte sie ihren Körper an einer Schublade in Brusthöhe ab, während sie ihren Körper in eine extreme Spannung versetzte. Sie wollte gerade um mehrere Zentimeter wachsen um die Decke mit der linken Hand zu erreichen. Lilly wuchs und wuchs in die Länge, stellte sich auf die Zehenspitzen und spürte förmlich, wie sie ein innerer Druck zu zerreißen drohte. Unbedingt wollte sie an diese Decke kommen und wenn sie dafür gleich noch am Schrank hinaufklettern musste. Das allerdings traute sie sich nicht. Da war es einfacher, über seine eigene Körpergröße hinauszuwachsen und auf einmal länger zu wirken, als man tatsächlich war. Lilly stand da noch immer leicht zittrig auf den Zehenspitzen auf dem kleinen Kinderstuhl und wirkte wie eine Katze, die sich nach einem Nickerchen streckte.
Die linke Hand erreichte mit den Fingerspitzen den Saum der Decke. Für Lilly war das motivierend genug um weiterzumachen. Dann, nach weiteren endlosen Minuten des Streckens und halb Hochhangelns bekam sie den hervorschauenden Zipfel zu fassen. Mit einem kräftigen Ruck zog Lilly an der Decke und riss sie so aus dem Schrank.
Was Lilly zu diesem Zeitpunkt nicht ahnen konnte, war der Gegenstand, der beschwerlich auf der Decke ruhte. Eine kleine Schachtel, Zigarrenkistengroß aus einer Art Metall. Spitze Ecken, die im Lichteinfall aufblitzten und eine blauschwarze Außenfassade gaben der Schachtel einen bedrohlichen und mystischen Hauch. Als das drei Jahre alte Mädchen ausgestreckt und leise ächzend die Decke aus dem Schrank zog, schoss auch diese Metallschachtel mit nach unten. Sie musste sehr schwer sein, denn sie flog nicht im hohen Bogen aus dem Schrank sondern fiel schwer direkt nach unten. Nach unten, wo Lilly noch immer ausgestreckt stand und triumphierend sah, wie die Decke auf den Boden fiel.
Die blauschwarz schimmernde Metallkiste mit den scharfen Kanten und spitzen Ecken nahm direkten Kurs auf Lillys Kopf und drohte sich in den Kinderschädel zu bohren und schwere Verletzungen zu hinterlassen. Lillys triumphierenden Gedanken wurden von einem Bild in ihrem Geist unterbrochen, das sie erst gar nicht richtig wahrnehmen konnte. Irgendwas war es, etwas, das schlecht war. Es war mehr ein Gefühl, als ein scharfes Bild, wie ein Foto. Es geschah in Millisekunden, dass Lilly instinktiv erkannte, dass etwas nach ihrem Leben trachtete und sie umzubringen versuchte. Es gab nur eine einzige mögliche Abwehr, auch das teilten ihr die Gefühle instinktiv mit. Diese Abwehr bestand darin, ihren Kopf beiseite zu nehmen, besser noch einen Schritt zur Seite zu machen. Dort war zwar der Abgrund vom Stuhl zum Boden, aber immer noch besser als auf das Etwas zu warten, das sie gleich heimsuchen würde. Außerdem war dort ein weicher Teppich, der würde die meiste Wucht ihres Sprungs aufhalten.
Lilly sprang beiseite und landete auf dem Po auf dem Teppich. Die blauschwarze Schachtel zischte nur einen Zentimeter an ihrem Kopf vorbei, knallte hart auf den Stuhl auf und erreichte schließlich den Teppichboden. Das war knapp!
Eine Zeitlang saß Lilly so da, starrte auf die Schachtel, die sie beinahe verletzt hatte und Sekunden wurden zu Stunden. Nur das Geräusch von Schritten auf der Treppe holten sie in die Wirklichkeit zurück. Der leichte Schock legte sich in Windeseile und Lilly bemerkte die Anwesenheit ihrer Mutter. Schimpfend kam sie die Treppe hinauf, wollte wissen, was diesen Lärm verursachte. Lilly trachtete danach, die komische Kiste in den Schrank zu hieven, aber sie war zu schwer. Kurz bevor Tanja oben auf der Treppe ankam um einzugreifen, wagte Lilly einen genaueren Blick auf die Box. Scharfe Kanten und sehr spitze Ecken warnten förmlich vor einer unsachlichen Behandlung und fremdartige Symbole waren in die Oberfläche eingearbeitet. Lilly fuhr mit ihren Fingern über die Symbole. Sie waren in das Chassis der Schachtel eingestanzt. Es fühlte sich schön an. Dann konzentrierte sie sich etwas genauer auf die Symbole. Sie zeichnete mit einem Finger die Kurven und Ecken nach und schrieb es wie ein Wort in ihren Verstand. Lesen konnte sie noch nicht, deswegen wirkte jede Form von Schrift wie Hieroglyphen auf sie, doch diese Symbole waren anders, als die in den Büchern und Zeitungen, die Mama und Papa immer lasen. Es waren nur sechs dieser Symbole auf der Schachtel und Lilly kam plötzlich ein komischer Gedanke, ein seltsames Gefühl überkam sie. Irgendwo sah sie diese Symbole schon einmal. Irgendwie kam ihr bekannt vor, was man dort eingestanzt hatte.
„Um Himmels Willen, was hast du denn da gemacht?“ Tanja stürzte von hinten zu ihrer Tochter. Sie beeilte sich richtig, als würde sie auf diese Weise noch schlimmeren Dingen vorbeugen, dabei war der Beinahe-Aufprall längst vorüber. Tanja hockte sich neben ihr Kind, sah sie eindringlich und fordernd an und wollte ihr die Kiste entreißen. Lilly hielt nicht an dem Ding fest, ihr Verstand hing noch an den Symbolen.
„Was hast du hier überhaupt am Schrank verloren? Hab ich dir nicht gesagt, dass du fragen sollst, wenn du was willst?“ Tanja stand auf und verstaute die Schachtel wieder ganz oben im Wandschrank, schubste sie aber mit einem beherzten Stoß bis nach ganz hinten durch.
Mit den Armen in die Hüften gestemmt blickte sie auf das Kind vor ihren Füßen nieder, das sie nicht mal ansah. Als Tanja gerade zu einem weiteren Versuch ansetzen wollte, aus ihrem Kind eine Erklärung für das Chaos zu erhalten, kam Lilly ihr zuvor.
„Mama, wieso steht mein Name auf dieser Kiste?“ Lilly hob den Blick. Ihr wurde eben erst klar, dass ihr Name auf der Schachtel stand, also keine willkürliche Folge von Schriftzeichen. Doch sie konnte die einzelnen Buchstaben nicht lesen, sie wusste es aus einem Gefühl heraus. Seltsamerweise war ihr diese Schrift bekannt und auch, dass diese Reihe aus Buchstaben ihren Namen ergaben. Als flüsterte ihr eine innere Stimme die Bedeutung dieses Wortes zu.
Tanja nahm direkt vor Lilly Platz. Fassungslos starrte sie sie mit halb offenem Mund an und brachte kein Wort hervor.
„Du kannst das lesen?“
„Nein, aber ich wusste es irgendwie“, erklärte sie schnell, als erwartete sie eine Bestrafung. Doch Tanja konnte nicht mehr an so was denken. Alles was sie wissen wollte war, woher Lilly wissen konnte, das es ihr Name war, wenn sie doch nicht lesen konnte.
„Was ist das für eine Kiste?“
Tanja dachte angestrengt nach. Sie überlegte, ob sie ihrer Tochter anvertrauen konnte, was es mit dieser Schachtel auf sich hatte oder ob sie aus Vorsicht um ihr Kind eine Notlüge formulieren sollte. Sie entschloss sich dazu, ihr die Wahrheit zu eröffnen. Mit Mark konnte sie dann nachher, wenn er nach Hause kommt und Lilly bereits im Bett war, über die ganze Angelegenheit sprechen.
„Schatz, diese Kiste haben wir an dem Tag entdeckt, als wir dich bekamen. Darin ist eine Nachricht an Papa und mich in der stand, dass wir gut auf unser Kind achten sollen, also auf dich. Und dass wir dir beistehen sollten, wenn mit Erreichen des sechsten Lebensjahres die Veränderung eintreten wird.“
Skeptisch sah Tanja in die großen Augen ihrer Tochter, die gerade weit weg war. Ihre Augen suchten nach einer Erklärung für diese Nachricht und Lilly konnte sie nicht richtig fassen. Der Begriff „Veränderung“ allerdings war seltsam vertraut für sie, genau wie die Symbole auf der Schachtel. Wenn sie sechs wird kommt die große Veränderung. Klang logisch, dachte Lilly, aber sie wusste nicht, was es bedeutete. Ihre Mama war genauso ratlos wie sie, das konnte sie an diesem Blick sehen. Drei Jahre lang kannte sie nun schon diese Botschaft und wusste nichts damit anzufangen. Scheinbar weihte sie Lilly in dieses Geheimnis ein, weil sie sich insgeheim wünschte, dass Lilly eine spontane Eingebung hatte und somit erklären konnte, was der tiefere Sinn der Botschaft war. Leider saßen die beiden Damen jetzt ziemlich ahnungslos auf dem weichen Teppich in der ersten Etage des großen Hauses und waren kein bisschen schlauer. Tanja wusste genauso viel wie vorher und Lilly war jetzt im Bilde über die Kiste, doch es verwirrte sie eher, als dass sie damit was anfangen konnte. Tanja verlangte auch viel zu viel von einem Kind, das gerade mal drei Jahre alt war. Dabei war die Hoffnung stärker gewesen, als die Vernunft. Sie dachte ernsthaft, Lilly konnte ihr verraten, wer diese Nachricht schrieb, woher sie sie kannten und was das Ganze mit Lilly zu tun hatte. Und natürlich, wo kam diese Schachtel her?
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Ungerecht!
Du hattest uns versprochen, dass wir nun erfahren wer oder was immer sie ist:
"
Die begann sogleich zu erzählen…
Was oder wer oder wie auch immer sie ist und v.a. was sie so erzählen will, das erfährst du erst morgen."
Und nun? Rätsel, nichts als Rätsel. Aber vielleicht willst du es auch nicht verraten. Vielleicht bekommt sie auch GROSSE Augen:
Also, eines kann ich dir verraten... so hässlich ist sie nicht.
Es sind novh ein paar Kapitel übrig, aber die Auflösung ist nahe. Oder die Veränderung,... ach, du weißt was ich meine
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Also doch irgentwie Ausserirdisch??
Gut. Solange es nicht in ALF ausartet.
Gaub ich aber nicht bei einer solchen vorgescichte.
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Was ist der Mensch - nur ein flüchtiger Gedanke - nicht zu greifen - nicht zu fassen. Stets schweigend mit sich im Gespräch vertieft durforsch er sich und findet sich nie.
Der Traum ist die wahre Wirklichkeit.
ALF? Von wegen Strandung oder von wegen 7 Mägen und Katzen sind bevorzugt...?
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Dachte da an strandung von AusserirdischerLebensForm und anpassung an irdischer Umgebung.
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Der Traum ist die wahre Wirklichkeit.
Es sind insgesamt 32 Kapitel, also lange ist es nicht mehr, bis alles aufgelöst wird.
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