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Stefan Steinmetz
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Mars First - Mit dem One Way Ticket zum Mars(42) Zitatantwort auf diesen Beitrag erstellen Diesen Beitrag editieren/löschen Diesen Beitrag einem Moderator melden       IP Information Zum Anfang der Seite springen

Als Liam Bishop die Zentrale betrat, wusste er sofort, dass etwas nicht stimmte. Er konnte es den Gesichtern der Techniker ansehen. „Was ist los?“, fragte er. „Probleme?“
„Kann man wohl sagen“, meinte Edward Stanton. „Wir haben die Funkverbindung unterbrochen und spielen Totalausfall. Keine Ahnung, wie wir das dem Publikum erklären wollen. Vielleicht ein Meteoritentreffer in der Hauptantenne.“ Er machte eine Geste zu dem freien Stuhl neben seinem Arbeitsplatz: „Schauen Sie es sich selbst an, Mister Bishop.“
Liam fühlte, wie sich die feinen Härchen in seinem Genick aufrichteten. Er ließ sich auf den Stuhl fallen. Er hatte kein gutes Gefühl.
Stanton startete eine Aufnahme. „Das haben wir alles komplett unter Verschluss gelassen.“
Mit wachsendem Grauen sah Liam sich die Aufnahmen an.
„Jesus Christus!“, murmelte er, als es zu Ende war. Er blickte Stanton an: „Ich brauche eine Verbindung auf einem Privatkanal. Ich muss mit denen da oben reden.“
Der Techniker nickte.

Arne und Antje hatten ihre Marsanzüge angelegt. Sie betraten Habitat 3. Arne hatte darauf bestanden, dass sie Bahnen aus dunkler undurchsichtiger Folie mitnahmen. „Wir müssen sie einwickeln, Maus. Wir können sie nicht einfach so liegenlassen. Das wird doch per TV gesendet. Niemand soll sie so sehen. Später werden wir sie beerdigen.“
Plötzlich sauste ein kleiner Derwisch an ihnen vorbei. Lindy-Flindy hatte sich von der Ladestation abgekoppelt. „Laura!“, rief sie. „Lauralieb!“
„Lindy, nein!“, rief Antje, doch das Roboterchen stand bereits vor der Schleuse, die die letzte Kammer vom vorderen Teil des Habitats trennte und öffnete sie per Bluetooth. Antje und Arne konnten nur folgen. Sie schauten auf das Bild der Vernichtung. Sämtliche Pflanzen, die noch neben Lauras kleiner Wohnecke gewachsen waren, waren in der Marskälte abgestorben. Kammer 3 war ein Totenschrein.
Ethan McDuff lag mit dem Gesicht nach unten am Boden, die rechte Hand ausgestreckt, als hätte er im Tod noch versucht, sich irgendwo festzuhalten.
„Lauralieb!“ fiepte Lindy-Flindy. Sie surrte zu dem gefriergetrockneten Leichnam, der links von der Schleuse am Boden lag. Sie blieb stehen und schaute. Ihr winziges Händchen berührte das, was einmal Laura Sunderlands Gesicht gewesen war. Jetzt war es grausam entstellt.
„Laura?“, piepste Lindy-Flindy. Sie produzierte ein Geräusch, dass einem menschlichen Schluchzen bestürzend ähnlich war. „Lauralieb?“ Ihr Köpfchen drehte sich hin und her. Ihre Kameraaugen nahmen alles in sich auf.
„Lauramama“, sagte das Roboterchen leise. Wieder schluchzte es. „Laura tot!“ Sie wendete auf ihren Raupen und schaute zu Arne und Antje hoch: „Laura ist tot! Warum? Warum hat Ethan das getan? Ethan hat Lauralieb totgemacht!“ Der Monitor an der Wand erwachte zum Leben. Die Marskälte hatte ihm keinen Schaden zugefügt. Er war dafür gebaut. Man sah die Szenen, in denen Ethan ins Habitat eindrang und mit dem Pickel ein Loch in die Wand neben der Schleuse am Ende der Living-Unit schlug, im Schnelldurchlauf. Lindy-Flindy hatte per Bluetooth die Aufnahmetechnik angezapft und spielte sämtliche Kameraeinstellungen ab. Man sah das schreckliche Geschehen aus unterschiedlichen Aufnahmewinkeln.
Antje schaute weg. „Hör auf, Lindy!“, sagte sie. „Ich will das nicht sehen! Es ist entsetzlich!“
Der Bildschirm wurde dunkel.
„Ethan Mörder!“, schluchzte Lindy-Flindy. Ihr Stimmchen verriet höchste Seelenqual.
Arne schaute das Roboterchen an. Konnte Lindy-Flindy fühlen wie ein Mensch? Er konnte nicht glauben, dass sie ihren Schmerz simulierte. Das war unmöglich. Das kleine Ding war außer sich. Es schluchzte herzzerreißend. „Warum hat Ethan Lauralieb ermordet?“
Antje bückte sich zu ihr herunter. Sie umarmte Lindy-Flindy. „Er wollte ihr nichts tun, Schatz. Er hat gedacht, sie trüge ihren Marsanzug. Als sie von draußen hereinkam, trug sie ihn und lief ins Habitat. Ethan muss angenommen haben, dass sie nur ein Werkzeug holen wollte und wieder rausgehen würde.“
„Warum hat Ethan das Habitat kaputt gemacht?“, schluchzte Lindy-Flindy.
„Er wollte Lauras kleine Privatwohnung zerstören, damit sie wieder zu ihm zieht.“
Antje schaute über Lindy-Flindy hinweg zu Lauras zerplatztem Leichnam. „Oh Gott! Arne!“ Ihre Stimme war genau so piepsig wie die des Robotermädchens.
Arne trat näher. Er sah, was Antje gesehen hatte. „Großer Gott!“
„Was sollen wir tun?“, fragte Antje. Sie klang wie ein verängstigtes Kind.
Arne fühlte sich unendlich müde. Er wusste, dass er keine Kraft hatte, alles zu regeln. Nicht heute. Er brauchte Zeit. Er musste eine Nacht über allem schlafen. „Wir hüllen sie in Folie und tragen die beiden nach draußen. Mehr tun wir heute nicht. Wir heben morgen Gräber aus. Heute kann ich es nicht und du auch nicht. Wir sind beide viel zu fertig.“
Lindy-Flindy klammerte sich schluchzend an Antje. „Lauralieb!“, weinte sie. „Lauralieb soll nicht tot sein! Lindy-Flindy will Lauralieb zurück!“ Das Robotermädchen war untröstlich.

*

Sie saßen in ihrem Habitat, als das Privatvideo vom Satelliten im Orbit herunterkam. Sie hatten die Leichen von Laura und Ethan in Folie gepackt und nach draußen gebracht. Mehr hatten sie nicht getan. Der Schock hatte sie völlig ausgelaugt. Sie würden die hintere Kammer von Habitat 3 in den folgenden Tagen aufräumen und versuchen, das Leck zu reparieren. Sie hatten entsprechende Materialien dabei. Später. Nicht heute. Nein. Nicht heute.
Liam Bishops Gesicht erschien auf dem Bildschirm. Der Brite sah bleich aus. „Hallo“, meldete er sich. „Ich habe alles gesehen. Wir haben die Übertragung abgefangen und ausgeblendet. Hier auf der Erde denken sie alle, dass ihr einen Stromausfall aufgrund eines Unfalls habt. Wir können den Zuschauern unmöglich die Wahrheit sagen. Arne! Antje! Das dürfen wir nicht! Das versteht ihr doch, oder?
Wenn wir die Wahrheit zeigen, ist es aus mit Mars First. Dann fliegt keiner mehr zum roten Planeten. Ihr wollt doch nicht allein dort oben bleiben? Allein und von allem Nachschub abgeschnitten. Wir dürfen die Folgemissionen nicht aufs Spiel setzen.
Hier in der Technik haben wir einen Notfallplan entwickelt. Wir werden die Sache als Unfall hinstellen, ein tragisches Ereignis, an dem niemanden die Schuld trifft. Wir haben Außenaufnahmen von Habitat 3. Das Ende der Living-Unit war nicht mit einer schützenden Sanddecke zugeschüttet, weil dort an die Schleuse am Ende irgendwann die neue Kuppel angeschlossen werden sollte. Wir haben eine Aufnahme am Computer manipuliert. Man sieht eine Stelle in der Außenhaut, die beschädigt wirkt. Wir werden sagen, dass dort etwas eingeschlagen ist, als der große Meteorit im Nordosten niederging. Schließlich ist sogar ein Brocken so groß wie ein Omnibus um ein Haar auf die Kolonie gefallen. Ich ...“ Liam brach ab. Er atmete hastig ein und aus und wischte sich die Tränen aus den Augen. „Mein Gott! Ich ...“
Es dauerte zwei Minuten, bis er sich wieder gefangen hatte. „Es tut mir leid. Das alles hat mich sehr mitgenommen. Ich weiß, dass ich jetzt stark sein muss. Ich muss mit kühlem Kopf Entscheidungen treffen. Aber ich bin auch nur ein Mensch.“ Wieder schnaufte er heftig.
„Also ...“, fing er an, „... also folgendes: Wir werden behaupten, dass der Meteoritentreffer zu einer Materialermüdung führte und die Wand neben der Schleuse von selbst aufriss. Ethan hat versucht, Laura zu retten, aber er hat seinen Helm in der Eile nicht richtig aufgesetzt. Wir werden nur einige verschwommene Bilder zeigen und behaupten, dass der Unfall einen Stromausfall in der Kolonie ausgelöst hat.
Morgen könnt ihr Laura und Ethan beerdigen. Macht eine erhabene Zeremonie daraus. Das können wir den Zuschauern vorsetzen. Das verstehen sie. Von Ethans Durchdrehen darf kein Sterbenswörtchen fallen. Es war ein Unfall! Ihr müsst diese Geschichte verinnerlichen. Ihr müsst so tun, als wäre das die Wahrheit! Könnt ihr das? Es ist wichtig! Ich warte auf Antwort. Liam Bishop, Ende.“
Antje und Arne sahen sich an.
„Er hat recht“, sagte Antje. „Wir dürfen die Wahrheit nicht sagen. Es würde sich kein Freiwilliger mehr finden, der zum Mars fliegt.“
„Ja“, sagte Arne. Er schaute in die Bildschirmkamera, betätigte die Ruftaste und sprach ins Mikrofon: „Hier Arne Heuermann und Antje van Dijk auf dem Mars. Wir haben verstanden. Wir werden diese Geschichte genauso wiederholen. Wir sagen nichts von Ethans Gewaltausbruch. Das halten wir unter Verschluss. Wir bestätigen die Geschichte vom tragischen Unfall. Das ist besser so. Für Mars First und für uns hier oben. Morgen heben wir Gräber aus und beerdigen die beiden.“
Arne atmete tief durch: „Ich muss Ihnen noch etwas melden, Bishop. Laura Sunderland war schwanger. Man sah es ihr nicht an, aber sie war ungefähr im fünften Monat. Es wäre ein Junge geworden.“

18.03.2017 12:30 Stefan Steinmetz ist offline Email an Stefan Steinmetz senden Beiträge von Stefan Steinmetz suchen Nehmen Sie Stefan Steinmetz in Ihre Freundesliste auf
 
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