Registrierung PM-BoxMitgliederliste Administratoren und Moderatoren Suche Häufig gestellte Fragen Zur Startseite  

Stefans Geschichten » Willkommen auf der Homepage von Stefan Steinmetz » Die kleine Privat-Ecke » Wenn der Rote Hahn kräht » Wenn der Rote Hahn kräht(28) » Hallo Gast [anmelden|registrieren]
Druckvorschau | An Freund senden | Thema zu Favoriten hinzufügen
Neues Thema erstellen Antwort erstellen
Autor
Beitrag « Vorheriges Thema | Nächstes Thema »
Stefan Steinmetz
Administrator




Dabei seit: 10.02.2006
Beiträge: 1802

Wenn der Rote Hahn kräht(28) Zitatantwort auf diesen Beitrag erstellen Diesen Beitrag editieren/löschen Diesen Beitrag einem Moderator melden       IP Information Zum Anfang der Seite springen

Pascal und Rebecca hatten die Zieglers zum Grillen eingeladen. Auch Magdalenas Freundin Johanna Friedmann war eingeladen. Die kleine Party fand hinter Albas Haus statt. Dort gab es inzwischen fließendes Wasser und Strom und die Toilette funktionierte. Bis sie in das Haus ziehen konnten, würde es aber noch etwas dauern. Pascal und Rebekka hatten beschlossen, so lange nach England zu gehen und über die Kanäle zu schippern.
Eine Woche zuvor hatten sie im kleinen Kreis geheiratet und danach die Adoption Magdalenas beantragt. Vielleicht waren die fünf Familien einmal einflussreich gewesen, aber die Weltlichen waren auch nicht ohne. Zwei Frauen aus Silberberg arbeiteten beim Jugendamt in der Kreisstadt. Pascal hatte keine Ahnung, wie die es gedeichselt hatten, aber Magdalena hatte Papiere bekommen und lebte nun offiziell in sogenannter Adoptionspflege bei ihm und Rebekka.
Sie waren zu dritt zum Supermarkt gefahren, um Grillgut einzukaufen. Als sie mit ihrer Beute bei Astrid Kluding anhielten, um eine Tüte Brötchen zu besorgen, kam die Frau hinter dem Tresen hervor. Sie blieb vor Magdalena stehen. „Hallo Liebes. Gut siehst du aus. Du bist nicht mehr so dünn und ein Stück gewachsen bist du auch.“
„Kein Wunder“, meinte Rebekka vergnügt. „Bei den Portionen, die sie verdrückt.“
„Ja“, sagte Astrid. „Man sieht, dass ihr euch gut um eure Adoptivtochter kümmert.“
Sie umarmte Magdalena und gab ihr einen Kuss. „Du hast das Richtige getan, Kind“, sagte sie. „Ich habe dich gesehen, in jener Nacht. Für das, was du getan hast, brauchst du dich nicht zu schämen. Du hast das Böse aus unserem Dorf vertrieben. Ich weiß, wer du bist, Mädchen. Alle wissen es.“ Als sie Magdalenas fragenden Blick auffing, lächelte sie. „Sie wissen Bescheid, aber sie schweigen aus Höflichkeit. Alle Alten wissen, wer du bist. Den Kindern haben sie es noch nicht gesagt. Vielleicht irgendwann einmal. Keiner ist dir gram, im Gegenteil. Du hast Silberberg von einem jahrhundertealten Fluch befreit.“ Sie küsste Magdalena noch einmal: „Ich wünsche dir alles Gute und viel Glück in deinem neuen Leben, Liebes.“
*
Die Zieglers kamen an. Pascal hatte den neu angeschafften Grill bereits angeworfen und im Kühlschrank in der Küche standen Getränke bereit.
Johanna nahm Lukas an der Hand: „Komm mal mit!“
Der Junge folgte ihr ins Haus. In dem Raum neben der Küche stand ein Tisch mit vier Stühlen. Auf der Tischplatte lag ein Damebrett. Ein Mädchen in Johannas Alter saß davor und machte einen Zug mit einem weißen Spielstein. Johanna zeigte auf das Mädchen. „Das ist sie. Siehst du?“
Lukas schaute sie fragend an: „Ja … wie? Wer denn?“
Johanna ging zu dem Mädchen und legte ihr einen Arm um die Schultern: „Darf ich vorstellen: Das ist Magdalena Hennes, geboren im Jahr 1621. Das ist meine Freundin, der Geist, von dem ich dir erzählt habe.“
Lukas prustete los. „Das da? Ein Geist? Ja richtig, und die Erde ist eine Scheibe!“ Er lachte. „Das ist das Adoptivkind von Pascal und Rebekka. Weiß doch jeder. Pfffft! Ein Geist! Ja, ja!“
„Das ist das Mädchen von dem Bild im Herrenhaus“, beharrte Johanna. „Das Bild wurde im Jahr 1631 gemalt. Das steht auf dem Bilderrahmen ein geschnitzt.“
„Aaah jjjjaaa“, sagte Lukas. „Und wo bitte schön ist dieses Bild? Zeige es mir.“
„Das ist verbrannt, als das Herrenhaus abgefackelt wurde“
„Aber klar doch“, höhnte Lukas. „Das ist echt praktisch. Der einzige Beweis, dass deine Freundin ein Geist ist, ist verbrannt.“
„Wenn du früher mal im Herrenhaus gewesen wärst, hättest du die das Bild ansehen können“, sagte Johanna.
„Wie praktisch, dass dieses Bild verbrannt ist“, wiederholte Lukas. Er streckte Johanna die Zunge heraus: „Das ist ein Mensch aus Fleisch und Blut.“ Er ging zu Magdalena herüber und fasste sie am Oberarm an. „Das ist nie und nimmer ein Geist!“
Johanna zog ein Gesicht. „War ein Fehler, dass ich es dir gesagt habe. Ich dachte, du bist vernünftiger. Aber in echt bist du einfach nur blöd.“
Magdalena stand auf und legte nun ihrerseits einen Arm um Johannas Schultern. „Lass doch“, sagte sie. „Er hat ja recht. Ich bin jetzt ein Mensch aus Fleisch und Blut. Seit die Macht des Fürsten der Dunkelheit auf immer gebrochen wurde, bin ich kein untotes Geistergeschöpf mehr.“
„Trotzdem ist er ein Blödmann“, grollte Johanna. „Der kann mir den Buckel runterrutschen.“
„Ach komm schon“, sagte Lukas. Plötzlich klang er versöhnlich. „Ich hab´s nicht so gemeint. Dann ist deine Freundin eben ein Geist. Mir doch egal.“ Er lächelte: „Übrigens ein sehr hübscher Geist.“ Als er sah, wie sich Johannas Blick verdüsterte, schob er hastig hinterher: „Aber nicht so hübsch wie du.“
Die drei gingen nach draußen und stromerten auf dem weitläufigen Gelände herum, das zu Albas Hof gehörte.
Später saßen sie alle einträchtig beim Essen zusammen. Lukas wandte sich am Pascal: „Johanna hat gesagt, eure Adoptivtochter ist das Mädchen auf dem verbrannten Bild im Herrenhaus. Stimmt das?“
„Wenn sie es sagt“, meinte Pascal lapidar.
Lukas grinste schräg: „Also nicht! Dachte ich es mir doch.“
Johanna wollte zornig auffahren, da holte Ulrike Ziegler ihr Smartphone hervor. „Lass nur, Fräulein Friedmann“, sagte sie. „Das Bild ist verbrannt, aber es gibt jede Menge Fotografien davon.“ Sie rief eine Datei auf und reichte ihrem Sohn das Smartphone: „Schau mal.“
Lukas nahm das Smartphone entgegen und betrachtete das Foto auf dem kleinen Bildschirm. Es zeigte ein Gemälde an einer Wand. Auf dem unteren Rand des Bilderrahmens stand: Magdalena Hennes, 1631.
Lukas riss die Augen auf. Er starrte Magdalena an, dann das Foto, dann wieder Magdalena. Das Mädchen auf dem Bild glich Magdalena aufs Haar.
„Im Dorf wissen jede Menge Leute Bescheid“, sagte seine Mutter. „Nun weißt du es auch. Sei ein guter Junge und rede nicht großartig darüber. Das wäre unhöflich. Nimm es, wie es ist. In Silberberg ist es schon immer nicht so ganz mit rechten Dingen zugegangen. Aber seit der Rote Hahn auf den Häusern der Teufelssekte gekräht hat, ist Schluss damit. Magdalena ist jetzt eine von uns.“
*
Rebekka und Magdalena standen im Heck des Narrowboats. Magdalena trug Jeans, ein knallrotes T-Shirt mit dem Aufdruck I Love The Waterways und einen Strohhut. Pascal löste die Halteleinen und kam an Bord
„Bring sie zum fahren“, rief er Magdalena gut gelaunt zu.
Magdalena, die am Ruder stand, ließ den Bootsdiesel an. „Kann losgehen“, rief sie übermütig. Sie war glücklich, so glücklich, dass sie die ganze Welt hätte umarmen mögen. Der grausige Fluch, der Jahrhunderte auf ihr gelastet hatte, war von ihr genommen. Sie war frei und sie war kein untotes Geschöpf mehr, sondern ein richtiger Mensch. Pascal, Rebekka und sie würden für zwei Monate über die englischen Kanäle fahren. Anschließend würden sie nach Silberberg zurückkehren, wo keine finstere Macht mehr über das Dorf herrschte und keine schlechten Menschen ihr Böses wollten. Silberberg war frei wie sie selbst.
Magdalena war die Tochter von Pascal und Rebekka geworden. Sie liebte ihre neuen Eltern und sie liebte ihre Freundin Johanna Friedmann. Magdalena liebte das Leben. Sie war frei. Sie hätte vor Freude am liebsten laut gejauchzt. Frei! Für immer! Sie packte den Gashebel und schob ihn nach vorne. Der Diesel grollte auf. Das Boot löste sich vom Ufer und glitt auf den Kanal hinaus. Magdalena betätigte das Horn. Das Boot fuhr los.
Auf dem Kabinendach stand ein CD-Radio. Aus den Lautsprechern dudelte kroatische Volksmusik. Beim Refrain sang Magdalena laut mit:
„Ajca, vinca-ca, vinca rumena, a-ha-ha
Ajca, vinca-ca, vinca rumena.“
Leise tuckend glitt das Narrowboat übers Wasser. Vorne auf dem Bug und ganz hinten auf der Kabine stand in großen Lettern der Name des Hausboots: MAGDALENA.

E N D E

28.10.2024 05:32 Stefan Steinmetz ist offline Email an Stefan Steinmetz senden Beiträge von Stefan Steinmetz suchen Nehmen Sie Stefan Steinmetz in Ihre Freundesliste auf
 
Neues Thema erstellen Antwort erstellen
Gehe zu:

Powered by Burning Board Lite 1.0.2 © 2001-2004 WoltLab GmbH