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Lilly - Kapitel 11 Zitatantwort auf diesen Beitrag erstellen Diesen Beitrag editieren/löschen Diesen Beitrag einem Moderator melden       IP Information Zum Anfang der Seite springen

Mark und Tanja verließen das Büro des Arztes. Die Fragerei hatte sie genug gereizt für den Nachmittag. Beinahe wäre ihm Tanja an die Gurgel gegangen. Dieser Doktor fragte doch allen Ernstes, ob jemand ihre Tochter vergewaltigt haben konnte. Irgendwie konnte sie sich nicht des Eindrucks erwähren, dass man sie beziehungsweise Mark direkt damit ansprechen wollte. Irgendwie musste er davon ausgegangen sein, wir würden uns verraten, wenn er die richtigen Fragen stellen würde. Aber das war absurd! Weder sie beide noch der Praktikant aus dem Kindergarten hätte jemals so etwas fertig gebracht. Vielleicht wollte er auch etwas anderen bezwecken und war ihnen ohne es zu merken auf der Spur. Sie mussten noch viel vorsichtiger sein, als zuvor. Hoffentlich hatte sich Lilly nicht in der Zwischenzeit verplappert…

Lilly lag in ihrem Bett. Von der Tür aus konnten Mark und Tanja nicht ihr Gesicht sehen und sie lag ganz ruhig da, als würde sie schlafen. Als sich die beiden langsam näherten, drehte sie sich um und sie waren erleichtert, dass sie ihre Tochter nicht wecken mussten.
„Liebes, wie geht’s dir denn?“ fragte Tanja in einem gehobenen Tonfall.
„Ganz gut, aber ich will hier weg“, sprach das Kind leise.
„Wir holen dich bald“, versprach Mark, als er die Tür hinter sich schloss. Er wollte verhindern, dass jemand unerlaubt zuhören konnte, wenn sie sich jetzt unterhielten.
„Und wann?“
Mark tat es Tanja gleich und schnappte sich einen Stuhl und setzte sich ganz nah an Lillys Bett. „Wir müssen die Untersuchungsergebnisse noch abwarten, aber ich denke, die werden morgen da sein.“ Lilly machte ein missmutiges Gesicht. „Keine Sorge, die werden schon nichts finden, denke ich.“ Mark wusste es leider nicht, wollte das Mädchen allerdings nicht beunruhigen. Obwohl Lilly diejenige war, die im Grunde mehr wusste als ihre Eltern zusammen, empfand er es immer noch als seine elterliche Pflicht, sein Kind zu trösten und vor allem Unheil zu bewahren.

„Genau!“ pflichtete Tanja ihrem Mann bei. „Und dann holen wir dich ab. Wenn alles soweit in Ordnung ist, dann dürfen die dich gegen unseren Willen nicht hier behalten.“
Lilly blickte abwechselnd ihren Eltern in die Augen und dann zu Boden.
„Wie geht es dir denn sonst so?“ fragte Tanja um das Thema ein wenig zu wechseln.
„Naja, ich langweile mich, aber da ist so ein netter Zivi, oder so, der hat sich ganz lieb um mich gekümmert und mit mir geredet.“
„Hast du ihm etwas erzählt?“
„Nein.“
„Und wem anderes?“
„Nein, auch nicht.“ Tanja atmete erleichtert auf. Lilly wusste genauso wie sie um die Gefahr des Endecktwerdens, aber ihre kindliche Art konnte sich jederzeit von der eines Erwachsenen einlullen lassen und schon hatte sie Dinge erzählt, die sie besser nie gesagt hätte. Hinzu kam, dass Tanja keine Ahnung hatte, was Lilly wusste. Sofern sie denn überhaupt etwas wusste.
„Das darf sich auch nicht ändern, hörst du“, schärfte sie ihrer Tochter ein.
„Aber Mario ist so lieb, der würde mich nicht verraten.“
„Das ist egal, du weißt doch, was auf dem Spiel steht.“

Natürlich wusste das Lilly. Sie wollte nicht, dass man sie von ihren Eltern trennte. Sie erwähnte Mario auch nicht, weil sie ihm alles erzählen wollte, sondern weil sie in ihm jemanden fand, der ihren Aufenthalt angenehmer gestalten konnte. Sie nickte und gab so zu verstehen, dass sie verstand und dem niemals zuwider handeln würde. Tanja strich ihr liebevoll über den Kopf. Welch ein tapferes kleines Mädchen hatte sie da. Mutig schritt sie in eine unsichere Zukunft, für die keiner etwas konnte, nicht einmal Mark. Sie war zwar immer noch etwas muffig, weil er sie in die Lage gebracht hat, in diesem Krankenhaus auf die nächsten Ereignisse zu warten, aber er tat es schließlich nicht aus Bosheit. Sie spürte auch, wie es ihm Leid tat und wie sehr er es bedauerte. Immer wieder stellte sie sich die Frage, wie sie in dieser Situation gehandelt hätte. Mark beteuerte, dass er wie automatisch zum Telefon griff und den Notruf alarmierte und erst später realisierte, was er eigentlich getan hatte. Vielleicht würde ich ähnlich handeln, dachte sie. Vielleicht war es gar nicht möglich anders zu reagieren, wenn man mit ansehen muss, wie das eigene Kind unter Krämpfen Höllenqualen ausstand. Möglichweise blieb das Hirn generell bei einem stehen, wenn er das sah. In diesem Fall würde Tanja kaum anders handeln. Aber sie und Mark hatten sich ausgesprochen und waren sich einig, von nun an an einem Strang zu ziehen. Ab hier bildeten sie eine Einheit, die wie eine Angriffswelle des Militärs in feindliches Gebiet vordrang um die Herrschaft zu übernehmen.

„Kannst du uns denn etwas Neues sagen, was jetzt genau mit dir los ist?“ fragte Tanja zögerlich. Sie wollte ihr Kind nicht zu sehr mit ihrer Neugierde überlasten, konnte sich aber auch nicht bremsen, diese Frage zu stellen. Früher oder später würde sie es so oder so erfahren, aber es konnte nicht schaden, vorab etwas mehr zu wissen um angemessener auf sie zu reagieren. Vielleicht ist eine spezielle Abfolge der kommenden Ereignisse einzuhalten, oder es waren gewisse Vorbereitungen zu treffen.

Lilly forschte in ihrem Inneren nach einer Antwort. Sie erinnerte sich an so vieles, aber nichts brachte sie näher an die Wahrheit heran. Es war eigentlich alles so wie vorher. Hinzu kam, dass sie gewisse Dinge spürte, sie aber nicht in Worte zu fassen vermochte. Wie sollte man auch etwas beschreiben, das man selber nicht verstand?

Plötzlich musste sie an die Bilder denken. Vor einigen Wochen hielten ihre Eltern ihr zwei Furcht einflößende Bilder vor die Nase, die sie angeblich gezeichnet haben sollte. Doch sie konnte sich nicht daran erinnern. Damals jedenfalls nicht. Heute konnte sie schemenhaft erkennen, dass sie sie doch zeichnete. Ihre Hände führten jeden Strich, sie sah förmlich vor ihren Augen, wie sie die Farben auswählte, die entsprechenden Stifte nahm und Strich um Strich zu Papier brachte. Aber es war nur ihr Körper, der malte. Der Geist von Lilly sah nur zu, denn gemalt hatte jemand anderes. Irgendwie war etwas in ihr gewesen, das die Bilder bereits vor dem Inneren Auge sah und nun durch Lilly hindurch hervorbrachte.

Seltsam war auch das vertraute Gefühl der Präsenz, die in ihrem Inneren wohnte. Irgendwie schien es niemand Fremdes gewesen zu sein, niemand der etwas Böses wollte. Es war, als wäre sie selbst diese Präsenz gewesen. Es mochte doch sein, dass ein anderer Teil ihres Selbst versuchte, ihr etwas über ihren derzeitigen Zustand mitzuteilen. Aber was sollten dann diese schrecklichen Zeichnungen bedeuten? Welche Botschaft verbarg sich hinter ihnen?
Lilly kramte in ihrem Geist, nicht nur um die Neugier ihrer Mutter zu besänftigen, sondern auch um ihre eigene zu stillen. Doch ihr anderes Ich, den Teil ihres Selbst, der diese Bilder malte, zu konsultieren, war nicht so einfach.
„Eine Veränderung wird kommen“, sprach Lilly nach einer langen und anstrengenden Suche.
„Es wird jedenfalls nichts mehr so sein wie früher.“ Mehr konnte Lilly nicht sagen. Sie war erst sechs, wie sollte sie mehr wissen oder besser schildern können, wie sich dieses Gefühl in ihrem Innern anfühlte. Dieses Gefühl gab ihr die Sicherheit, dass Lilly einen Punkt erreicht haben mochte, an dem es kein Zurück mehr gab. Allerdings gab es auch niemals ein Zurück, denn der kommende Weg war ihr vorbestimmt. Große Sorge machte sich in ihr breit. Was wäre, wenn es ihre Bestimmung war, ihre Eltern nach dieser Veränderung für immer zu verlassen? Was wäre, wenn sie keine Wahl hätte? Sie würde sich ihrem Schicksal fügen, denn das war das Einzige, was sie klar sah. Egal was kam, sie würde tun was zu tun war, denn nur so war sicher gestellt, dass niemandem, vor allem ihr selbst, etwas geschah.

„Bald wird es kommen, vielleicht schon morgen oder nächste Woche.“
Tanja erhoffte sich zwar mehr Informationen, war aber dankbar, dass Lilly wenigstens etwas sagen konnte. Das gab ihnen einen Zeitrahmen, um ihre Tochter aus dem Krankenhaus zu holen. Dass es schnell sein musste, war auch so kein Geheimnis, aber diese zusätzliche Sicherheit bot ihr einen besseren Halt.
„Keine Angst, Lillyschatz, wir werden vorbereitet sein, komme was wolle“, sagte Mark und hielt dabei ihre Hand.
„Das müsst ihr auch!“ dröhnte Lilly plötzlich. „Ich denke, wenn es bald passiert, dann brauch ich euch ganz dringend. Ich glaube es wird noch schlimmer und ich will nicht alleine sein.“ Lilly sprach auf einmal ganz schnell und fing leicht an zu weinen. Aber es war kein Schmerz, keine Traurigkeit. Es war Verzweiflung, dass es noch wesentlich schlimmer werden würde, bevor es wieder besser wurde. Die Tränen und ihre dröhnende, eindringliche Stimme unterstrichen die Dringlichkeit der Aussage noch.
„Wenn ihr nicht bei mir seid, wenn die Veränderung eintritt, dann werde ich sterben“, wimmerte sie.
Tanja war stark ergriffen. „Red nicht solchen Unsinn, du wirst nicht sterben!“
„Das lassen wir nicht zu, Schätzchen“, sprach Mark sanft dazu.
Natürlich ließen sie es nicht zu und natürlich war es kein Unsinn, was Lilly soeben sagte. Sie wollte nicht sterben, aber es könnte passieren, wenn sie von ihren Eltern keine Unterstützung erfahren würde. Das spürte sie in aller Deutlichkeit. Deswegen war es von immenser Bedeutung, dass man sie so schnell wie möglich aus der Klinik holte. Diese ganze Suche nach der Wahrheit, nach dem Grund für die veränderte Situation in ihrer aller Leben war sehr anstrengend für das junge Mädchen. Sie gähnte.

„Ich brauch etwas Schlaf um mich auszuruhen. Ich glaube, es wird noch anstrengend genug.“
Tanja war von der Weisheit der Worte ihrer Tochter überzeugt und nickte zustimmend.
„Komm, Mark, wir lassen sie etwas schlafen.“
Die beiden erhoben sich und stellten die Stühle zurück an den Tisch an der gegenüberliegenden Wand. „Wir werden erstmal wieder gehen und sehen morgen wieder nach dir, okay Liebes?“
Lilly nickte und drehte sich um, nachdem ihre Eltern ihr Gesicht noch mit Küssen bedeckten und sie ganz fest drückten. Tapferes kleines Mädchen, dachte Tanja erneut. Sie musste soviel aushalten in dieser schwierigen Zeit und alles was sie als ihre Eltern tun konnten, war ihr die Hand zu halten. Es war für keinen eine einfache Angelegenheit, aber gemeinsam würden sie stark sein um auch diese Krise zu bewältigen. Wir ziehen alle an einem Strang, kam es ihr wieder in den Sinn. Mark und Tanja haben das untereinander beschlossen, aber nun bezog sie Lilly mit in diesen Bund ein.

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06.04.2013 08:10 Trekkie-Fan ist offline Email an Trekkie-Fan senden Homepage von Trekkie-Fan Beiträge von Trekkie-Fan suchen Nehmen Sie Trekkie-Fan in Ihre Freundesliste auf
Stefan Steinmetz
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Also weiß auch Lilly selber, dass sie "anders" ist. Sie kann es bloß nicht richtig "packen". Reift da etwas in ihr heran? Und wenn ja, ist es gut oder böse?

07.04.2013 17:00 Stefan Steinmetz ist offline Email an Stefan Steinmetz senden Beiträge von Stefan Steinmetz suchen Nehmen Sie Stefan Steinmetz in Ihre Freundesliste auf
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Ich hoffe nur immer, hier liest niemand mit, der sich mit Medizin etwas auskennt. Der hätte schon längst Einspruch erhoben. Mein medizinisches Grundwissen, das ich heute einigermaßen habe, hatte ich damals noch nicht. Heute hätte ich einige Passagen anders geschrieben.
Nun denke ich aber, dadurch, dass ich nicht genau wusste, wie das aus medizinischer Sicht noch rüberkommen könnte, kann ich den Leser auf falsche Fährten locken und es bleibt spannend. Mal sehen, was mit Lilly los ist, vom den sie selber irgendeinen Schimmer zu haben scheint.

Mehr erfahrt ihr morgen Nachmittag (bin nicht eher zu Hause).

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07.04.2013 20:39 Trekkie-Fan ist offline Email an Trekkie-Fan senden Homepage von Trekkie-Fan Beiträge von Trekkie-Fan suchen Nehmen Sie Trekkie-Fan in Ihre Freundesliste auf
 
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