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Stefan Steinmetz
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Mars First - Mit dem One Way Ticket zum Mars(38) Zitatantwort auf diesen Beitrag erstellen Diesen Beitrag editieren/löschen Diesen Beitrag einem Moderator melden       IP Information Zum Anfang der Seite springen

Ethan McDuff saß allein in seinem Habitat vorm Rechner. Er hatte am Abend zuvor eine private Nachricht an Liam Bishop geschickt. Er hatte dem Leiter von Mars First eine Rückkehrmission vorgeschlagen. Ethan wollte Nägel mit Köpfen machen. Schluss mit den Andeutungen während des Tagesablaufs. Er hatte seine Karten auf den Tisch gelegt.
Natürlich hatte er nicht direkt gesagt, dass er unbedingt nach Hause zurück wollte. Er hatte es so dargestellt, als würde er im Falle einer Rückreise das Opfer bringen, diese Reise auf sich zu nehmen. Er würde umfangreiche Proben mit zur Erde bringen, Steine, Sand, Regolith, Eisproben, die unter der Marsoberfläche geholt wurden. Die Wissenschaftler auf der Erde würden ihnen das Zeug aus den Händen reißen. Und entsprechend gut dafür zahlen.
Nun wartete er auf die Antwort Bishops. Er trank an seinem Ersatzkaffee, dem er selbst gewonnenen Zucker zugefügt hatte. Laura und Maus hatten den Zucker aus Zuckerrüben destilliert. Ethan verzog das Gesicht. Muckefuck. Hergestellt aus Lupinensamen und den Wurzeln von Löwenzahn. Nicht mal richtigen Kaffee hatten sie! Zucker war da. Aber keine Milch.
Maus hatte Andeutungen gemacht, dass sie welche aus Sojabohnen machen wollte. Ersatzmilch. Ersatzkaffee. Neuerdings gab es sogar Ersatzfleisch. Das Zeug war das Letzte. Es fühlte sich weich und knatschig im Mund an. Ein richtiges Steak schmeckte anders.
Wieder wurde Ethan bewusst, dass er vorschnell gehandelt hatte, als er sich bei Mars First beworben hatte.
Ich habe es allen zeigen wollen, überlegte er. Sogar mir selbst.
Und erst recht seinem Vater, auch wenn der längst tot war.
Nun hockte er fast hundert Millionen Kilometer von zu Hause entfernt in einer engen Aufblasgarage, die jederzeit von einem beschissenen Meteorschauer getroffen werden konnte, hatte Stress mit seiner Mieze und den Kollegen und absolut keine Lust mehr, zu bleiben.
Ethan schnaufte ungehalten. Wie sie sich aufgeführt hatten, als die Aufblaskuppel draufgegangen war! Sie hatten getan, als hätte er versucht, ihnen die Leber rauszuschneiden. Idioten! Wer hatte denn die ganze Zeit alles am Laufen gehalten? Wer hatte das ganze beschissene Geraffel instand gesetzt? Wer hatte überall Reparaturen durchgeführt? Es ging doch ständig was kaputt. Ohne ihn wären die drei Knalltüten vielleicht nicht mehr am Leben.
Den letzten Mist hatten die Manager von Mars First ihnen auf den roten Planeten mitgegeben. Mieses Zeugs, das nichts taugte. Das ständig kaputt ging. Überall Ausfälle! Sie waren kaum ein Jahr auf dem Mars und Pumpen und Atmosphärenaufbereiter streikten.
Es kotzte ihn an. Es raubte ihm den Schlaf. Man konnte abends nicht zu Bett gehen, ohne diese kleine nagende Angst im Leib, dass in der Nacht ein Alarm losgehen würde. Dass wieder mal etwas Lebenswichtiges ausfallen würde. So hatte er sich sein Leben auf dem roten Planeten nicht vorgestellt.
Die zweite Crew würde erst in acht Monaten ankommen. Ohne Rick! Ausgerechnet! Rick Turner war sein bester Kamerad in Crew 2 gewesen. Sie hatten sich prächtig verstanden. Sie waren mehr als Kameraden gewesen. Freunde waren sie gewesen. Und nun hatte Rick gekündigt. Ethan konnte ihn verstehen. Mit einer Rückenverletzung war nicht zu spaßen. Mochte es heute gut aussehen, in zehn Jahren konnte weiß Gott was nachkommen. Er konnte Ricks Entscheidung nachvollziehen. Aber es wurmte ihn, dass ausgerechnet Rick nicht zum Mars kam.
An seiner Stelle würde dieser komische Japaner im Raumschiff sitzen, dieser Kerl, der daher kam wie ein Konzertpianist auf dem Kartoffelacker, der im falschen Film gelandet war. Ethan McDuff hatte nichts gegen Katsuro Yamamoto, aber er war der Meinung, dass der gute Mann überall hingehörte, aber nicht in eine Marssiedlung. Der Typ war abgehoben, ein richtiger Zivilisationsmensch. Was wollte so einer in einer Kolonie an der Frontier? Er würde mit dem harten, entbehrungsreichen Leben nicht klarkommen und anfangen, den großen Maxe zu spielen. Er würde sein mangelndes Können und die nur rudimentär vorhandene Teamfähigkeit mit vorlautem Befehlston überspielen. Schon auf der Erde war Ethan die blasierte Art des Japaners aufgefallen. Yamamoto führte sich auf wie ein Hohepriester, der sein dummes und unwissendes Volk leitete. Ethan mochte den Mann nicht.
Rick Turner war ganz anders. Rick und Ethan hätten prima zusammen gepasst. Aber Rick hatte gekündigt. Genau wie Laura gekündigt hatte. Sie hatte ihm gekündigt, wenn man so wollte. Ethan konnte nur hoffen, dass sie sich irgendwann abregen würde. Wie es im Moment zuging, das war kein Zustand.
Ein Piepton erklang aus den Lautsprechern. Ethan merkte auf. Die Antwort Bishops kam vom Orbiter herunter. Privat. Auf einem eigenen Kanal, den keiner abhören und einsehen konnte.
Liam Bishops Gesicht erschien auf dem Flatscreen. Wie immer wunderte sich Ethan über das jugendliche Aussehen des Briten. Liam Bishop sah aus, als käme er gerade von seiner englischen Eliteschule nach Hause, jung und dynamisch und bereit, einen gutbezahlten Job bei einer renommierten Bank anzunehmen oder im Management einer Weltfirma. Liam sah nicht aus wie achtunddreißig. Er sah aus wie Mitte zwanzig.
„Hallo Ethan“, sprach Bishop. Sein Tonfall war freundlich. Ethan entspannte sich. Das klang gut. Er hörte dem CEO von Mars First zu.
„Wir haben die Möglichkeit einer Rückreise vom Mars zur Erde hier im Team durchgesprochen“, sagte Liam.
Die haben das zusammen durchdiskutiert, dachte Ethan. Fein. Klingt, als wäre das Thema durch. Jetzt geht es nur noch um einen entsprechenden Zeitplan. Erde, ich komme!
„Eine Rückkehrmission ist im Moment vollkommen unmöglich“, fuhr Bishop fort.
Ethan hatte das Gefühl, einen betäubenden Schlag auf den Kopf gekommen zu haben. Wie bitte?!
„Mars First steht für die Kolonisation des roten Planeten“, sprach Bishop. „Nicht für ein Reiseunternehmen, das Touristen zum Mars und wieder zurück fliegt. Das können wir nicht leisten. Dazu fehlen uns ganz klar die Mittel. Es war nie vorgesehen, Leute zur Erde zurück zu bringen. Das gibt unser Budget nicht her. Tut mir leid. Bishop, Ende.“
Für einen Moment saß Ethan völlig erstarrt vor dem Bildschirm. Er konnte nicht glauben, was er gerade gehört hatte. Der Brite hatte ihn mit ein paar dahin geworfenen Sätzen abgespeist, wie einen kleinen Schuljungen. Er musste sich erst mal fangen.
Der sitzt da unten vor dem Schirm und wartet auf deine Antwort, sagte er zu sich selbst.
Er erwachte aus seiner Starre.
„Hören Sie“, fing Ethan an. „Sie lassen da eine riesengroße Chance sausen. Ein Rückflug wäre die Sensation. Das würde Geld in die Kassen spülen. Gleichzeitig würden völlig neue Finanzkräfte freigesetzt, wenn ich das mal so sagen darf. Es würden sich viel mehr Menschen für eine Reise zum Mars interessieren. Ich sage nur: NASA und Co! Die Weltraumorganisationen der Erde würden sich finanziell am Mars First Projekt beteiligen, weil sie eine Chance sähen, ihre Wissenschaftler hier rauf zu bringen. Als One Way Mission ist das uninteressant, aber wenn die wissen, dass ihre Leute nach zwei oder vier Jahren wieder nach Hause fliegen können, würden sie Schlange stehen, um Mars One als Transportvehikel zu nutzen.
Wir könnten hier oben aus Ziegeln Quartiere für Forscher und Wissenschaftler bauen. Dass wir es können, haben wir bewiesen. Auf dem Mars könnte ein ganzes Dorf für NASA-Leute entstehen.
Alles, was Sie tun müssen ist, mich beweisen lassen, dass ein Rückflug möglich ist. Vielleicht kann man sogar Sauerstoff, Wasserstoff und Vorräte mit einer Dragon in unser Schiff hochbringen. Das wartet noch immer in der Umlaufbahn. Kann sein, dass man für einen Rückflug eine andere Art von Schiff schicken müsste und dass man mit einer speziellen Landeeinheit hier runter gehen müsste, mit einem ERV, einem Earth Return Vehicle, aber das alles ist machbar. Die Technik ist vorhanden. Man muss es nur angehen. Es ist möglich.“
Ethan blieb vor dem Bildschirm sitzen und wartete auf Bishops Antwort. Er wusste, es würde lange dauern. Die Funksignale waren beinahe eine halbe Stunde unterwegs und dann brauchte eine Antwort noch einmal die gleiche Zeit. Als er mal pinkeln musste, tat er es hastig, obwohl ihm klar war, dass es nicht nötig war. Aber er hatte Angst, die Antwort zu verpassen.
Schließlich war es soweit. Der Gesichtsausdruck von Liam Bishop verhieß nichts Gutes.
„Ethan, ich will Klartext reden. Eine Rückkehrmission wird definitiv nicht stattfinden. Das können Sie knicken. So viel Geld hat Mars First nicht, selbst wenn die NASA, die ESA und Roskosmos ordentlich drauflegen.
Um zum Mars zu kommen, sind etwa zwei Milliarden Pfund nötig. Milliarden, Ethan! Eine Milliarde sind eintausend Millionen. Lassen Sie sich das mal auf der Zunge zergehen. Tausend Millionen ergeben eine einzige Milliarde.
Wir haben einen Rückflug mal grob durchgerechnet. Wissen Sie, das teuerste an einer Marsmission war immer der Rückflug. Die Leutchen von der NASA haben ausgerechnet, dass die Rückkehrmöglichkeit rund dreiviertel der Kosten verursachen würde. Diese Leute kennen sich aus. Die wissen, was sie sagen. Unsere Berechnung kam auf eine Summe von etwa vierzig bis fünfzig Milliarden für einen einzigen Rückflug.
Das ist finanziell für Mars First nicht zu stemmen, ganz zu schweigen davon, dass ein solches Schiff noch nicht einmal entwickelt ist. Niemand weiß genau, wie man so etwas baut. Allein die Entwicklung würde Jahre dauern und Milliarden kosten.
Tut mir leid für Sie, aber ein Rückflug ist nicht drin. Nicht mit unseren heutigen Mitteln. Wie es in zehn oder zwanzig Jahren aussieht, steht in den Sternen. Möglicherweise werden neue Antriebe entwickelt, die eine Reise schneller und kostengünstiger machen. Das weiß zur Zeit niemand.
Aber momentan ist an eine Rückreise nicht zu denken. Hören Sie auf, dauernd auf dem Thema herum zu reiten. Sie haben für eine One Way Mission unterschrieben, genau wie ihre Kameraden. Das ist eine unumstößliche Tatsache. Finden Sie sich damit ab, Ethan. Bishop, Ende.“
Der Bildschirm wurde dunkel.
Ethan saß da wie erschlagen. Zwanzig Jahre, rief es in seinem Kopf. Zwanzig Jahre.
Verflucht noch mal! Bis dahin bin ich fast siebzig! Dann ist mein Leben vorbei! Das kann doch nicht wahr sein!
Er schüttelte den Kopf.
Zwanzig Jahre, raunte es. Zwanzig Jahre.
Plötzlich ging ein Alarm los. Es piepste aufdringlich. Ethan starrte auf die Computeranzeige. Nummer 4. Schon wieder! Er stand auf und lief zu der Dragon, an die das Habitat von Maus und Arne angeschlossen war. Heuermann war bereits da und hatte die Bodenabdeckung geöffnet.
„Das verflixte Ding streikt mal wieder“, knurrte er. „Himmel Sakrament!“ Er schaute zu Ethan auf: „Wieder das Rückschlagventil. Wetten?“
Ethan ging in die Knie. Er half dem Deutschen, den kleinen Atmosphärenaufbereiter zu zerlegen.
„Tatsächlich!“ Heuermann hielt das kaputte Ventil hoch.
„Ich glaube das nicht!“, sagte Ethan. Er fühlte, wie eine Gänsehaut seinen Rücken hinauf kroch. „Das ist das dritte Mal! Wir sind ein Jahr hier und das Teil ist zum dritten Mal defekt. Und auf so etwas sollen wir uns verlassen können. Was ist, wenn die anderen Stickstoffpumpen auch anfangen zu spinnen?“
Er half Arne, das defekte Teil auszutauschen und ging dann weg. Er lief zur Gartenkuppel. Sie war leer, was ihm momentan mehr als recht war. Er schritt zwischen den Beeten hindurch, aber er hatte keinen Blick für die Pflanzen. Er nahm kaum wahr, dass Laura und Maus das Getreide nach der Methode von Lauras Großmutter mit Erde angehäufelt hatten. Pro gesätem Korn drei bis sieben Halme – jeder Halm eine Ähre. Ein Trick armer Leute mit wenig Land.
Ethan sah es nicht. Stattdessen hörte er die Umluftventilatoren surren und die Heizung gurgeln. Irgendwo ächzte und brummte ein Atmosphärenaufbereiter. Es klang, als würde das Ding es nicht mehr lange machen.
Bald würde wieder etwas kaputt gehen. Wie lange würde die Kolonie noch bestehen? Wie lange würde sie halten?
Bei dem Schrott, den man uns an die Hand gegeben hat, nicht lange, dachte er. Ich will nicht hierbleiben! Ich will weg! Ich will zur Erde zurück!
Zwanzig Jahre, flüsterte die Stimme in seinem Kopf. Zwanzig Jahre.

09.03.2017 20:08 Stefan Steinmetz ist offline Email an Stefan Steinmetz senden Beiträge von Stefan Steinmetz suchen Nehmen Sie Stefan Steinmetz in Ihre Freundesliste auf
 
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