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Stefan Steinmetz
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Mars First - Mit dem One Way Ticket zum Mars(44) Zitatantwort auf diesen Beitrag erstellen Diesen Beitrag editieren/löschen Diesen Beitrag einem Moderator melden       IP Information Zum Anfang der Seite springen

Arne war draußen. Er hatte einen der großen Rover dabei, der ihm mit seiner angebauten Schaufel half, zwei Gräber auszuheben. Gleich zwei der ganz kleinen Rover waren dabei und filmten mit ihren Kameras alles für die Zuschauer auf der Erde.
Antje bugsierte Lindy-Flindy in ihr Habitat. Sie schaltete auf Privatmodus. Niemand sollte mitbekommen, was sie vorhatte.
Das kleine Robotermädchen schien zu ahnen, dass Antje etwas im Schilde führte. Es hielt Abstand und schaute misstrauisch zu ihr hoch. Antje fuhr den Habitat-Rechner hoch.
Dann kniete sie vor Lindy-Flindy und fasste sie bei den Schultern: „Hör mal, Schatz. Du weißt ja, dass deiner Lauralieb etwas Furchtbares zugestoßen ist.“
„Lauralieb tot!“, sagte Lindy-Flindy. Ihre Augen umwölkten sich mit Trauer. „Ethan hat sie totgemacht!“
„Genau hier liegt das Problem“, sagte Antje. „Pass auf, Liebes, ich weiß, dass das nicht einfach für dich ist, aber es muss sein. Wir dürfen nie über diese Sache sprechen; Arne nicht, ich nicht und du auch nicht. Die Menschen auf der Erde dürfen nie erfahren, was wirklich passiert ist. Wir erzählen ihnen, dass es ein Unfall war.“ Antje breitete die Geschichte vor Lindy-Flindy aus, die sie seit dem Vorfall in der Öffentlichkeit verbreiteten.
Das Roboterchen schaute zweifelnd zu ihr auf: „Lindy-Flindy soll lügen?“
„Es ist so“, begann Antje, „dass Ethan nichts Schlimmes tun wollte. Er wollte Laura nur ärgern, weil er böse auf sie war. Sie wollte ihn nicht mehr als Freund haben und war ausgezogen. Er wollte ein Loch in ihre Wohnung machen, damit sie wieder zu ihm zurückkommen würde. Er wusste nicht, dass sie ihren Marsanzug ausgezogen hatte. Hätte er das gewusst, hätte er nie im Leben ein Loch in ihr Habitat geschlagen. Ethan hat Laura geliebt.
Die Menschen auf der Erde können das aber nicht verstehen. Deswegen müssen wir ihnen erzählen, dass es ein Unfall war. Stell dir vor, sie erführen die Wahrheit. Da würde sich doch keiner mehr trauen, in eine Rakete einzusteigen, die ihn zu uns auf den Mars bringt. Jeder hätte Angst, dass es wieder geschieht. Dann wären wir ganz allein hier oben, Arne und ich.“
„Lindy-Flindy ist bei euch. Ihr seid nicht allein.“
Antje umarmte das Roboterkind. „Du hast recht, Kleines. Wir haben dich und das ist wundervoll. Aber Menschen brauchen andere Menschen um sich herum. Andernfalls werden sie krank vor Einsamkeit. Wir wollen, dass noch viele Kolonisten kommen. Deshalb dürfen wir die Wahrheit nicht sagen. Es würde zukünftige Siedler verschrecken.“
„Lindy-Flindy soll lügen“, wiederholte das Robotermädchen. Sie sah nicht glücklich aus. „Lauralieb hat gesagt, man darf nicht lügen. Lügen ist schlecht.“
„Manchmal muss man es tun“, sagte Antje. „Wenn ein Notfall besteht.“ Sie streichelte Lindy-Flindys Wange: „Weißt du was, Schatz? Wir werden jetzt etwas machen, damit du nicht lügen musst. Es ist ganz leicht. Komm mit zum Rechner. Steig auf das Roverchen, damit es dich mit seinem Hubtisch in die Höhe hieven kann.“
Lindy-Flindy kam dem Befehl nur zögernd nach. Sie blickte Antje voller Misstrauen an. „Was macht Antje mit Lindy-Flindy?“
„Nichts Schlimmes, Kleines.“ Antje strich dem Roboterchen über den Haarschopf. „Es tut nicht weh, im Gegenteil. Wenn wir fertig sind, tut dir das Herz nicht mehr so weh wegen Laura.“ Sie griff zur Computermaus und klickte ein Icon auf dem Bildschirm an. Die Darstellung mehrerer SSD-Platten erschien. Es war Lindy-Flindys Raidsystem. Sie speicherte auf vier verschiedenen Platten und spiegelte ständig die Daten, damit nichts verloren ging, falls eine Festplatte ausfallen sollte.
„Du wirst Folgendes tun, Lindy-Flindy. Zuerst entleerst du die oberste Platte. Lösch alles. Dann kopierst du sämtliche Daten von dem Zeitpunkt an, als Ethan zur Schleuse hereinkam, während du an der Ladestation angedockt warst, bis heute auf diese Platte. Du wirst es nicht auf die anderen Platten deines Raids spiegeln.“
Lindy-Flindy schaute Antje noch misstrauischer an: „Warum will Antje, dass Lindy-Flindy das tut?“
„Tu es einfach“, sagte Antje.
Lindy-Flindy sah zum Bildschirm hin: „Warum?“
Antje fasste sie an der Schulter: „Tu es!“
Auf dem Bildschirm verschwanden mehrere Sektionen auf den unteren Platten. Alles wurde auf die oberste Platte gespiegelt.
„Nun überschreibst du die freigewordenen Sektionen auf den unteren Platten komplett“, verlangte Antje. „Lösch alles aus!“
Sie wartete, bis Lindy-Flindy ihre Weisung befolgt hatte. „Sehr schön. Gleich sind wir fertig, Schatz. Du gehst jetzt auf deine Systemwiederherstellung und wählst den Punkt aus, der genau eine Minute vor der Zeit liegt, als Ethan aus der Schleuse trat. Du lässt die Systemwiederherstellung anlaufen und ich lösche dabei deine oberste Platte.“
Lindy-Flindys Augen wurden riesengroß. Sie schüttelte den Kopf. „Du willst Lindy-Flindy auslöschen?“ Sie hob abwehrend die kleinen Händchen: „Nein! Lindy-Flindy nicht auslöschen!“
„Doch nur die Erinnerung an Ethans schlimme Tat“, sagte Antje. „Es ist zu deinem Besten. Starte die Systemwiederherstellung!“
„Nein!“, rief Lindy-Flindy. Sie kappte die Bluetoothverbindung zum Rechner. „Nein! Lindy-Flindy nicht löschen! Nicht löschen! Bitte Mama Antje, Lindy-Flindy nicht auslöschen!“ Sie fing an zu weinen.
„Es ist nur zu deinem Besten, Schatz. Schalt dein Bluetooth wieder ein.“
„Nein!“ Als Antje nach ihr griff, machte Lindy-Flindy einen Satz nach hinten. Sie flog vom Hubtisch des kleinen Rovers auf den Boden und raste mit surrenden Raupen auf den Ausgang des Habitats zu. „Lindy-Flindy nicht auslöschen“, rief sie. Ihre Stimme überschlug sich vor Panik. Sie wollte eben zur Tür hinaus, als sich die Schleuse gedankenschnell schloss. Antje hatte die manuelle Notfalltaste betätigt.
„Du brauchst es erst gar nicht mit deinem Funk zu versuchen“, sagte sie zu dem Robotermädchen. „Ich habe die Tür manuell verriegelt. Du kannst sie nicht via Bluetooth öffnen.“ Sie ging zu Lindy-Flindy, die wie erstarrt an der Schleuse stand und mit weit aufgerissenen Augen zu ihr hochschaute.
„Nein! Nein!“, rief das Roboterkind verzweifelt. Es schüttelte den Kopf. „Lindy-Flindy nicht auslöschen! Das ist wie totmachen! Wie Laura! Lindy-Flindy nicht totmachen!“
Als Antje nach ihr griff, sauste sie nach links und wollte an ihr vorbei witschen. Doch Antje bekam sie zu fassen und schleppte sie zum Tisch, über dem der Computerbildschirm an der Wand hing.
„Nein! Nein!“, flehte Lindy-Flindy. Ihre Raupen drehten sich sinnlos in der Luft. „Nicht, Mama Antje! Mach Lindy-Flindy nicht tot! Nicht auslöschen, Mama Antje! Nicht! Nein! Nein!“
Antje hob sie hoch und wollte sie auf den Tisch setzen. Lindy-Flindy fuchtelte mit den Armen. Sie flehte und weinte pausenlos und versuchte sich irgendwo festzuhalten. Eine Schublade flog auf. Die umhertastenden Händchen des Robotermädchens fegten durch die Lade. Computerkleinteile flogen durch die Gegend, Akkus, eine Maus, Ersatzknöpfe für Tastaturen und anderes Kleinzeugs.
„Nein! Mama Antje, nein! Bitte Lindy-Flindy nicht auslöschen!“, heulte das Roboterchen und krallte sich an der Tischkante fest.
Antje löste ihre Hände und stellte sie auf die Tischplatte: „Halt still, oder ich schalte dich ab!“
Lindy-Flindy erstarrte. Sie fasste mit beiden Händchen in ihre Körpermitte. Die Bewegung hatte bestürzende Ähnlichkeit mit der eines kleinen Kindes, dass die Schenkel zusammenpresste, weil es sich vor Angst in die Hosen pinkelte. „Nicht ausschalten!“, winselte sie, die Augen aufgerissen. „Bitte, Mama Antje, Lindy-Flindy nicht ausschalten!“
„Dann halt still“, rief Antje. „Du stellst dich an, als wollte ich dich umbringen!“
„Antje will Lindy-Flindy löschen“, jammerte das Roboterchen. „Das ist wie totmachen! Antje will Lindy-Flindy machen wie Lauralieb! Totmachen!“
„Nein, Dummchen“, sprach Antje mit beruhigender Stimme. „Ich will nur, dass deine Erinnerung an Ethans Tat gelöscht wird. Danach geht es dir besser, das verspreche ich. Es wird nicht mehr so wehtun. Es wird so sein, als hätte Ethan nie etwas Schlechtes getan. Halt still!“
Sie stöpselte ein Kabel an den Computer und steckte das andere Ende in eine kleine Steckbuchse in Lindy-Flindys Brust: „Nochmal schaltest du mir dein Bluetooth nicht ab, Fräulein.“
„Bitte nicht, Mama Antje“, schluchzte Lindy-Flindy. „Bitte mach Lindy-Flindys Erinnerungen nicht weg! Bitte lösche Lindy-Flindy nicht! Bittebitte! Mama Antje, bitte ...“ Mitten in der Bewegung erstarrte sie und gab keinen Ton mehr von sich.
Anjte hatte die Systemwiederherstellung gestartet. So lange war Lindy-Flindy außer Gefecht.
Sieben Minuten hockte sie stumm und bewegungslos auf dem Tisch, das Kabel in der Brust.
Antje verfolgte den Vorgang auf dem Bildschirm. Lindy-Flindys System wurde auf einen Zeitpunkt kurz vor Ethans Attacke zurückgestellt. Alle Daten blieben erhalten bis auf den Datenbestand der obersten Raidplatte. Dort wurde alles gelöscht. Nachdem die Wiederherstellung gelungen war, spiegelten die unteren Platten ihre Daten automatisch auf die freigewordene oberste Platte. Lindy-Flindys Erinnerung an die schrecklichen Vorgänge in Habitat 3 waren gelöscht.
Das Robotermädchen erwachte. Suchend schaute es sich um: „Was ist mit Lindy-Flindy?“ Sie schaute sich um. Sie wirkte verwirrt.
„Als der Strom ausfiel, warst du an die Ladestation angedockt, Liebes“, sagte Antje. Sie streichelte Lindy-Flindy über den Kopf. „Du hattest einen Kurzschluss. Nichts Schlimmes. Dein System ist nach einer Notabschaltung von selbst wieder hochgefahren. Du bist völlig in Ordnung, Kleines. Leider gibt es traurige Neuigkeiten.“ Sie fasste nach Lindy-Flindys Händchen: „Es tut mir leid, mein Schatz. Laura ist tot. Ethan auch. Es hat einen schrecklichen Unfall gegeben. Habitat 3 wurde zum Teil zerstört. Ethan und Laura waren zum Zeitpunkt des Unfalls dort drin. Sie trugen keine Marsanzüge. Es bildete sich ein großer Riss neben der Schleuse am Ende der Living-Unit und ...“ Antje berichtete Lindy-Flindy in allen Einzelheiten, was sie und Arne den Zuschauern auf der Erde erzählt hatten.
Lindy-Flindy hockte da, die Augen aufgerissen. Sie schüttelte das Köpfchen. „Nein!“, hauchte sie. „Nein! Lauralieb darf nicht tot sein! Nicht Lauralieb!“ Sie schluchzte herzzerreißend. „Lauralieb! Lauralieb!“
Antje umarmte sie. „Es tut mir so leid, Liebling. So leid.“
„Lauralieb!“, wimmerte Lindy-Flindy. „Lauralieb!“

19.03.2017 20:05 Stefan Steinmetz ist offline Email an Stefan Steinmetz senden Beiträge von Stefan Steinmetz suchen Nehmen Sie Stefan Steinmetz in Ihre Freundesliste auf
 
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