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Stefan Steinmetz
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Dabei seit: 10.02.2006
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Wenn der Rote Hahn kräht(4) Zitatantwort auf diesen Beitrag erstellen Diesen Beitrag editieren/löschen Diesen Beitrag einem Moderator melden       IP Information Zum Anfang der Seite springen

Pascal saß an dem wuchtigen Schreibtisch im Erdgeschoss, wo er seinen Arbeitsplatz eingerichtet hatte. Nicht nur das Haus selbst war klobig. Alles im Herrenhaus schien klobig und klotzig zu sein.
„So ein Monstrum von Schreibtisch kommt mir nicht auf meinen Hof!“, murmelte Pascal, während er Fotos für sein neuestes Buchprojekt zusammenstellte.
Er arbeitete an einem Buch über Rosenzucht. Er hatte sich für ein zweispaltiges Layout entschieden, war sich aber noch nicht ganz sicher, ob er es beibehalten würde. Es kam darauf an, wie die Fotos wirkten. Sie durften auf keinen Fall zu klein werden. Aber zu groß auch wieder nicht. Es kam aufs rechte Maß an.
Er passte das Bild einer rosafarbenen Zuchtrose in den Text ein. „Fertig!“, sagte er laut in das leere Zimmer. „Genug für heute.“ Er speicherte alles und beendete seine Arbeit.
Danach ging er ins Internet. Er wählte eine Seite aus England an, auf der sämtliche Bootsbauer der Insel gelistet waren, die Narrowboats bauten. In aller Ruhe ging er die Liste durch. Er klickte Homepages an und sah sich an, was die englischen Boatbuilder zu bieten hatten. Er suchte im Internet nach Erfahrungsberichten. Bald hatte er eine Liste von Bootsbauern erstellt, die ihm passend erschienen.
Nun suchte er im Web nach Videos und schaute sich an, wie ein solches Narrowboat auf dem Wasser aussah, welchen Eindruck die Innenausstattung machte. Es war ein Wahnsinnsgefühl, das zu tun. Zum ersten Mal tat er es nicht als armer Schlucker, der nur davon träumen konnte, solch ein Boot zu besitzen. Er sah sich die Videos an als einer, der demnächst ein Narrowboat anzuschaffen gedachte. Wahrhaftig ein Wahnsinnsgefühl. Pascal fühlte sich unbeschreiblich wohl.
Neben dem Computerbildschirm hatte er die neuesten Ausgaben von Canal Boat und Waterways World liegen. Er hatte die englischen Bootmagazine seit Jahren abonniert. Sie informierten ihn über die neuesten Boote, über Technik und Ausrüstung und über die Kanäle Englands. Ganz England war von schmalen Kanälen durchzogen. Von etwa 1750 bis 1900 hatte man die schmalen Kanäle kreuz und quer durchs Land gebaut, um Güter zu transportieren. Der erste Kanal war gegraben worden, um Kohle zu entfernten Gegenden zu bringen. Der Transport mit Pferde- oder Ochsenkarren war absolut unwirtschaftlich.
Die Kanäle machten den Transport ungleich billiger. Anfangs von Pferden getreidelt, waren die schmalen Boote später mit Dampfmaschinen ausgerüstet worden und schließlich hatte man wirtschaftliche Dieselmotoren eingebaut.
Die industrielle Nutzung der Kanäle endete einige Zeit nach dem zweiten Weltkrieg und das Kanalsystem begann zu verfallen, bis in den achtziger Jahren ein neuer Bootstyp aufkam: das Leisureboat, zu deutsch: Freizeitboot. Es hatte bereits ab den fünfziger Jahren solche Boote gegeben, aber in den Achtzigern traten sie ihren Siegeszug an. Das Narrowboat verwandelte sich in einen Caravan zu Wasser, seine Außenmaße von den kleinen Schleusen und den niedrigen Tunnels begrenzt. Gerade mal 2,2 Meter war ein solches Boot breit. Vor Jahrhunderten war man noch nicht in der Lage gewesen, große und breite Schleusen, auf Englisch locks, zu bauen. Also kamen die Schmalboote, auf Englisch Narrowboats auch heute noch mit diesen Maßen daher. Die Länge variierte. Das gebräuchlichste Maß waren 57 Fuß Länge. Diese Boote waren etwa siebzehn Meter lang. Es gab Narrowboats bis zweiundzwanzig Meter Länge, aber die konnten nicht auf allen Kanälen fahren.
Zufrieden schaue sich Pascal die Videos an. Mit jedem Clip, den er sich ansah, bekam er mehr Lust, sich einen solchen Caravan zu Wasser anzuschaffen. Finanzielle Hürden gab es keine mehr.
Er hatte sich auf dem Amt angemeldet und war jetzt offiziell ein Bürger Silberbergs. Er hatte seine alte Wohnung aufgelöst und war mit dem wenigen, was er behalten wollte, ins Herrenhaus gezogen. Nun gehörte der gesamte Nachlass von Arnim und Ellen Hennes ihm. Keiner konnte ihm das Geld, die Häuser und das Land streitig machen.
„Ich kann mir ein nagelneues Narrowboat kaufen“, murmelte er. Seine Stimme verlor sich in dem weiten Raum. Sie klang seltsam dünn und substanzlos. Als würde das Haus einen Teil seiner Stimme verschlucken. Noch ein Grund, warum Pascal das Herrenhaus nicht mochte. Der Kasten wirkte ablehnend auf ihn. Er konnte nicht sagen, woher sein Gefühl kam, aber er glaubte zu spüren, dass das Haus ihn nicht mochte.
Nun, ewig werde ich hier nicht wohnen, dachte er. Arno Brill wird demnächst mit der Restaurierung des alten Hofes anfangen. Spätestens im Herbst kann ich dann dort einziehen.
Er war am Überlegen, ob er das klotzige Herrenhaus nicht umbauen lassen sollte. Man könnte vielleicht mehrere Mietwohnungen daraus machen. Das würde Geld einbringen. Warum nicht?
Pascal ging auf die Webseite eines Bootsbauers. Ich könnte ein Narrowboat für zwei oder drei Wochen mieten, dachte er. Ich fahre gemütlich auf den Kanälen spazieren und danach verbringe ich ein oder zwei Tage in der Werft des Boatbuilders und wir besprechen mein neues Boot. Muss ja keiner hier aus dem Dorf davon erfahren. Das geht die nichts an.
Erst recht würde er nicht sagen, dass er vielleicht das ganze Jahr afloat leben würde, wie die Engländer das nannten. Afloat, auf dem Wasser. Und Leute, die das ganze Jahr auf den Kanälen fuhren nannte man Continuous Cruisers.
Die Haustürklingel schlug an, ein lautes Ding-Dong.
Pascal ging und machte auf. Zwei Männer im Alter von etwa fünfzig Jahren standen draußen. Sie lächelten ihn freundlich an.
„Hallo Pascal“, sagte einer von ihnen, ein breitschultriger Kerl von mindestens einem Meter achtzig. „Ich bin Adam Stolz und das ist Julius Theiß. Wir kommen dich besuchen. Du gehörst ja gewissenmaßen zur Familie.“ Sein Lächeln verbreiterte sich. „Zum Kreis der fünf Familien von Silberberg. Du bist ein Hennes.“
„Ja“, sagte Pascal. Er fühlte sich überrumpelt.
„Dürfen wir reinkommen?“, fragte Stolz.
Pascal trat zur Seite: „Bitte.“ Er machte eine einladende Geste. „Vielleicht gehen wir in die Küche. Sie liegt …“
„Wir wissen, wo die Küche ist“, sagte Stolz fröhlich. „Wir sind hier oft zu Gast gewesen, genau wie Armin und Ellen in unseren Häusern. Die fünf Familien halten zusammen. Das war schon immer so.“ Er und Theiß marschierten schnurstracks zur Küche. Sie setzten sich an den großen hölzernen Tisch, der in der Mitte des Raums stand.
Pascal warf einen misstrauischen Blick auf das blaugemusterte Wachstischtuch. Es hätte gewiss nicht geschadet, da mal Staub zu wischen, aber er war bisher nicht dazu gekommen. Wurde Zeit, sich mit Agnes Friedmann kurzzuschließen.
„Möchten Sie einen Kaffee?“, fragte er. „Ich habe welchen mitgebracht … aus meiner alten Wohnung. Ich muss erst noch groß einkaufen gehen. Ich bin noch nicht lange hier.“
„Bitte nicht siezen“, bat Stolz. „Ich bin Adam und das ist Julius und du bist Pascal. Ja, ein Kaffee wäre nett. Und alles, was du brauchst, erhältst du im Supermarkt. Die haben ein breites Angebot. Auch Werkzeuge und Gartenbedarf und solche Sachen.“
Während Pascal die Kaffeemaschine füllte, wandte er sich an Adam. „Hier ist es nicht so sauber. Bin noch nicht zum Putzen gekommen. Demnächst werde ich eine Frau Friedmann anrufen. Der Notar Dr. Bendler hat sie mir empfohlen.“
„Agnes? Aber ja. Die hat hier immer geputzt. Mit der machst du nichts falsch, Junge.“
Junge, dachte Pascal. So jung bin ich nun auch wieder nicht. Es passte ihm nicht, wie der Mann ihn behandelte, ein wenig von oben herab, jovial und fast schon übertrieben gönnerhaft, aber auch, als stünde er wesentlich höher als Pascal.
Der ist hier wohl der stellvertretende Dorfking, überlegte er. Vorher war es mein Verwandter Armin Hennes. Auf dem Dorf sind die Bürgermeister anscheinend noch so was wie Respektpersonen.
„Lass dich von der Agnes aber nicht über den Tisch ziehen“, sagte Julius. „Bezahle ihr nicht mehr, als Ellen ihr gezahlt hat. Die Weltlichen neigen dazu, die Hand aufzuhalten, wenn du verstehst, was ich meine.“
Pascal nickte und holte Tassen und Untertassen aus dem wuchtigen Küchenschrank. Der bestand aus Birnenholz. Von Hand geschreinert, wie es aussah.
Klar verstehe ich, was du meinst, dachte er. Meine Ur-Ur-Ur-sonstwas-Tante Ellen war also ein Knack. Sie war geizig. Nicht mit mir, mein Lieber. Ich habe sparsam gelebt, um Geld für meinen Traum zusammenzubekommen, aber jetzt bin ich nicht mehr arm. Ich werde ganz gewiss nicht geizig sein. Aber das brauche ich dir ja nicht auf die Nase zu binden.
Der Kaffee war durchgelaufen. Pascal brachte die Kanne zum Tisch. Er schenkte ein, stellte Zucker und Kaffeeweißer dazu und setzte sich den beiden Männern gegenüber an den Tisch.
„Es ist schön, dass du zurückgekommen bist“, sagte Julius. Er trank einen Schluck Kaffee. „Mmmm, der ist gut.“
Das ist Zeugs aus dem Sonderangebot, dachte Pascal. Das habe ich aus der alten Wohnung mitgebracht. Was sagt der da?
„Ja“, sagte Adam. „Es ist ganz wunderbar, dass du zurückgekommen bist, Pascal. Es hat all die Jahre etwas gefehlt in Silberberg, seit deine Vorfahren 1891 weggegangen sind. In unserer Mitte klaffte eine Lücke. Nun kann sich der Kreis wieder schließen. Bist du verheiratet?“
„Nein“, antwortete Pascal. „Ich bin solo im Moment.“
Das schien Adam zu gefallen. Sein Lächeln wurde eine Spur breiter und herzlicher. „Vielleicht findest du hier im Dorf eine Frau.“
„Was hast du denn gearbeitet, wenn man fragen darf?“, fragte Julius. „Du musstest die Arbeitsstelle leider aufgeben, als du hierher gezogen bist.“
„Musste ich nicht“, sagte Pascal. Er erklärte dem Mann, dass er von zu Hause aus arbeitete, dass er Bücher zusammenstellte und zu einer druckreifen Datei machte.
„Das ist ja eine gute Nachricht.“ Julius schaute Adam an. „Nicht wahr, Adam? Da verliert der Junge nicht seine Arbeit. Eine anständige Arbeit gibt Halt und man hat etwas, auf das man mit Stolz schauen kann.“
„Ein Mann stellt sich ein Stück weit über seine Arbeit dar“, gab Adam seinem Tischnachbarn recht. Er nickte energisch. „So ist es!“
„Leb dich erst mal hier in Silberberg ein“, sagte Julius. „Schau dich um. Geh durchs Dorf. Du kannst jederzeit eine von den Familien besuchen. Man wird dich überall gerne empfangen. Sie sind alle schon sehr gespannt auf den Neuen.“ Er lächelte breit. „Den Neuen, der in den Schoß der Familien zurückgekehrt ist.“
„Mag sein, dass du unter den Mitgliedern der Familien eine Partnerin findest“, meinte Adam. „Das wäre sicher besser als eine Weltliche zu nehmen.“
„Weltliche?“, fragte Pascal. Schon wieder dieses komische Wort.
Adam lachte kurz. Es klang gekünstelt. „So nennen wir sie. Wir von den fünf Familien haben unseren eigenen Glauben. Wir halten uns von den Weltlichen fern, so gut es geht. Das wirst du noch herausfinden. Aber leb dich erst mal in Silberberg ein, mein Junge.“
Pascal gefiel die gönnerhafte Art der beiden Männer immer weniger, je länger das Gespräch andauerte. Die zwei Kerle fragten ihn nach allem Möglichen. Sie kamen vom Hundertsten ins Tausendste. Pascal empfand die Männer als aufdringlich. Er beantwortete die Fragen nicht immer ausführlich. Was ging die zwei Typen sein Privatleben an?
Die tun so, als wäre ich bereits in die Dorfgemeinschaft integriert, dachte er. Hier scheinen gewisse Regeln zu herrschen. Mal sehen, ob ich bereit bin, mich an die zu halten. Ich mag es nicht, wenn mir einer in mein Leben reinredet. Ihr habt mir nicht vorzuschreiben, mit welcher Frau ich zusammenkomme. Von wegen, halte dich von den Weltlichen fern. Das geht euch gar nichts an!
Er überlegte, ob das Mädchen mit den grünen Augen, das ihm den Weg gewiesen hatte, eine Weltliche war. Wahrscheinlich war das so. Das Mädchen gefiel ihm aber. Er würde sich weder von Adam Stolz noch von Julius Theiß vorschreiben lassen, was er zu tun und zu lassen hatte. Wenn er das Mädchen kennenlernte und etwas mit ihnen werden sollte, hatte ihm keiner reinzureden, basta!
„Ahm, Pascal“, Julius Theiß klang, als wolle er etwas hinauszögern. „Was ich dich gerne fragen würde: Hat deine Familie je mit dir über … die Vergangenheit gesprochen? Über Silberberg und warum sie damals von hier weggegangen sind?“ Der Mann sah gespannt zu ihm hin.
„Nein“, sagte Pascal ohne zu zögern. Etwas hielt ihn zurück, die Wahrheit zu sagen. Er konnte nicht sagen, was es war. Ein Gefühl nur. Das Gefühl, dass Theiß nicht wissen sollte, was Pascal wusste. Viel war es nicht. Sein Großvater war eines Tages darüber zugekommen, als Pascal in alten Fotoalben stöberte. Er war damals dreizehn gewesen und die alten Fotografien hatten es ihm angetan. Schon immer hatte er gerne die alten Schwarz-Weiß-Aufnahmen betrachtet, die seine Urgroßeltern als Kinder zeigten, Hochzeitspaare in altmodischen Klamotten, Geburtstagsgesellschaften, Leute auf Wanderungen und im Urlaub und so weiter.
Im ältesten Album gab es ganz vorne ein nicht sehr scharfes Foto von einem Mann und einer Frau, die vor einem Haus standen. Das Haus war nur teilweise abgebildet. Unter dem Foto hatte jemand mit Tusche und Feder geschrieben: Roland und Irene 1890 vorm Haus in …
Das letzte Wort war mehrfach durchgestrichen und absolut unkenntlich gemacht. Man konnte es nicht entziffern.
Das Ehepaar stand steif nebeneinander und beide starrten konzentriert in die Kameralinse. Sie standen direkt vor der Haustür. Rechts neben der Tür befand sich ein offenstehendes Fenster. Ein Mädchen von etwa acht Jahren schaute heraus. Das Mädchen lächelte.
Pascal hatte zu seinem Großvater aufgeblickt und auf das alte Foto gezeigt: „Opa, wieso ist das letzte Wort durchgestrichen? Wo stand denn dieses Haus? Und was sind das für Leute?“
Sein Großvater hatte das Bild angesehen und geseufzt. „Das sind deine Vorfahren, die damals aus Silberberg weggingen, hierher nach Süddeutschland. Das Mädchen im Fenster ist ihre Tochter Gertrud. Das Foto ist in Silberberg aufgenommen. Vor ihrem Haus.“
„Silberberg.“ Pascal hatte das Foto angeschaut. „Die hatten dort ein Haus. Sieht aus, als wäre es nicht gerade klein, auch wenn man es nicht komplett sehen kann. Was soll der komische Haken an der Wand neben der Tür? Und wieso sind die damals dort weggegangen, wenn sie ein so schönes Haus hatten? Es muss ihnen doch gut gegangen sein.“
„Sie hatten Gründe, Pascal“, hatte sein Großvater geantwortet. „Silberberg war nicht gut. Sie haben beschlossen, dort wegzugehen.“
„Nicht gut? Wie meinst du das, Opa?“
„So wie ich es sage. Nicht gut. Silberberg ist kein guter Ort. Es gibt dort nichts Gutes.“ Sein Großvater hatte ihn ernst angesehen: „Pascal, komm niemals auf die Idee, dorthin zu gehen. Es hatte einen Grund, warum Roland und Irene damals mit ihren Kindern von Silberberg weggingen. Es war kein guter Ort und ist bis heute keiner. Gehe nie dorthin.“
Mehr war aus seinem Großvater nicht herauszubekommen.
Als Pascal seinen Vater danach fragte, blieb der seltsam einsilbig. Er wirkte ablehnend, als sein Sohn Silberberg erwähnte. „Da gehst du mir nicht hin, Pascal!“, hatte er gesagt und dabei ein strenges Gesicht aufgesetzt. „Es ist ein schlechter Ort! Wir gehen dort nie wieder hin!“
Das fiel Pascal in dem Moment wieder ein, als Julius Theiß seine Frage stellte. Sein Vater und sein Großvater wollten nicht, dass Pascal nach Silberberg ging. Und hatte Dr. Bendler nicht gesagt, dass Adam Hennes Pascal erst in sein Testament eingesetzt hatte, nachdem er herausgefunden hatte, dass Pascals Eltern ums Leben gekommen waren?
Das war mehr als seltsam, fand Pascal. Als ob Adam geahnt hat, dass Vater mich davon abhalten würde, mich auf das Testament einzulassen. Wirklich komisch.
Jedenfalls beschloss er, Julius Theiß kein Sterbenswörtchen von den Warnungen seines Opas und seines Vaters zu erzählen.
Es ging noch eine Weile hin und her. Julius und Adam spielten sich gegenseitig den Ball zu. Sie versuchten, so viel wie möglich aus Pascal herauszubekommen. Der wiederum wurde immer einsilbiger. Er versuchte, nicht unhöflich zu erscheinen, aber er rückte mit so wenig wie möglich heraus. Nur als sie ihn nach seiner Arbeit fragten und wie das vonstattenging, erklärte er alles bis ins kleinste Detail.
„Beinahe wie die Arbeit eines Architekten“, sagte Adam. Er nickte. „Ja, wie Arno. Der macht auch alles am Computer. Nur, dass er danach natürlich direkt in und an den Häusern tätig wird. Du hingegen sendest die fertige Druckdatei an den Verlag und die produzieren die Bücher, so wie du sie gestaltet hast. Du musst stolz sein, wenn du so ein Buch nach dem Drucken in der Hand hältst.“
Das war er, aber Pascal mochte das nicht zugeben. „Ich bringe ja nur das Manuskript eines Anderen zur Druckreife“, sagte er. „Geschrieben habe ich es nicht. Ich produziere nur die Druckdatei.“
„Stell dein Licht nicht unter den Scheffel, Junge“, sagte Adam. Er trank seinen Kaffee aus und erhob sich. „Wir wollen dann mal wieder. War schön, dich zu treffen, Pascal. Du kannst jederzeit einen Besuch abstatten.“ Er holte ein zusammengefaltetes Stück Papier aus der Tasche und reichte es Pascal. „Hier steht, wo Leute aus den fünf Familien wohnen. Sie freuen sich über deinen Besuch. Geh ruhig hin und stell dich vor. Sie warten schon auf dich.“
Pascal brachte seine Gäste zur Haustür und verabschiedete sie so freundlich er konnte. Aber als er die Haustür hinter sich schloss, fühlte er Erleichterung. Er war froh, Adam und Julius los zu sein. Die beiden waren anstrengend gewesen. Pascal konnte es nicht in Worte fassen, aber er hatte ein komisches Gefühl bei den beiden. Sie hatten geklungen, als erwarteten sie etwas Bestimmtes von ihm. Aber offen gesagt hatten sie es nicht. Sie hatten immer um den heißen Brei herumgeredet. Als ob ein Geheimnis über den fünf Familien liegen würde. Kein gutes Geheimnis.
Wir werden ja sehen, dachte er. Vielleicht mache ich wirklich ein paar Besuche. Aber zuerst kümmere ich mich morgen um meine Putzfrau. Und dann spaziere ich mal durchs Dorf. Vielleicht komme ich ja zufällig bei dem Haus vorbei, wo das schöne grünäugige Mädchen wohnt. Könnte doch sein, dass sie wieder im Garten arbeitet. Dann kann ich mich für die Wegebeschreibung bedanken.

04.10.2024 06:43 Stefan Steinmetz ist offline Email an Stefan Steinmetz senden Beiträge von Stefan Steinmetz suchen Nehmen Sie Stefan Steinmetz in Ihre Freundesliste auf
 
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